Dreiste Desinformation garantiert: Wenn der Spiegel über Abrüstungsverhandlungen berichtet

Wenn der Spiegel über Abrüstungsverträge berichtet, dann ist Desinformation Programm. So konnte man am Mittwoch im Spiegel einen Artikel zum auslaufenden NEW START Vertrag lesen, der nur eine Aufgabe hatte: Die Leser in die Irre zu führen.

Es gab mal drei Abrüstungsverträge, die das atomare Wettrüsten zwischen Russland (bzw. der Sowjetunion) und den USA begrenzen sollten: Den ABM-Vertrag, den INF-Vertrag und den NEW START Vertrag. Die ersten beiden haben die USA bereits einseitig gekündigt, bleibt noch der NEW START Vertrag, der allerdings im nächsten Februar ausläuft. Wenn Sie die Verträge und ihre Inhalte nicht kennen, finden Sie hier die Details.

Der auslaufende NEW START Vertrag

Im NEW START Vertrag wird die Anzahl der strategischen Atomwaffen begrenzt. Wichtig zum Verständnis ist hierbei der Unterschied zwischen strategischen und taktischen Atomwaffen: Strategische Atomwaffen sind nukleare Interkontinentalraketen, taktische Atomwaffen sind nukleare Kurz- und Mittelstreckenraketen. In NEW START geht es nur um die strategischen Atomwaffen. Das wird nachher noch wichtig.

Dieser letzte Abrüstungsvertrag läuft demnächst aus und da die Zeit für eine Neuverhandlung des Vertrages längst zu knapp ist, hat Russland immer wieder vorgeschlagen, den Vertrag in unveränderter Form wenigstens für einige Jahre zu verlängern, um so erstens den letzten atomaren Abrüstungsvertrag zu erhalten und zweitens Zeit für Verhandlungen über einen Nachfolgevertrag zu gewinnen. Die USA haben das lange abgelehnt.

Erst seit kurzem gibt es zu dem Thema Gespräche, allerdings fordern die USA nun, dass auch China dem Vertrag beitreten soll. Das lehnt China mit dem Argument ab, dass es nur ein Zehntel der Atomwaffen der anderen Supermächte hat. Die sollten erst auf chinesisches Niveau abrüsten, bevor sie China zu Gesprächen dazu einladen.

Die USA nutzen die Gespräche eher zu PR-Aktionen, als zu tatsächlichen Verhandlungen, denn tatsächlich ist die Zeit – vor allem auch wegen der US-Wahlen – längst zu knapp, um bis Februar zu einem Ergebnis zu kommen und das auch noch zu ratifizieren. Wer den Vertrag erhalten möchte, muss ihn – so wie er ist – erst einmal um ein paar Jahre verlängern und kann dann in Ruhe neu verhandeln.

Die angebliche Übereinkunft

Nun haben die USA gemeldet, man stehe mit Russland unmittelbar vor einer Einigung. Das war auch eine PR-Aktion der USA, die der Spiegel allerdings brav im Sinne der USA verbreitet hat, anstatt einfach die Tatsachen zu berichten. Der Spiegel titelte „„New Start“ – Atomabkommen zwischen USA und Russland auf der Kippe“ und in der Einleitung des Artikels konnte man lesen:

„Das nukleare Abrüstungsabkommen „New Start“ zwischen den USA und Russland läuft im Februar aus. Washington spricht von „grundsätzlicher Übereinkunft“ zur Verlängerung. Aus Moskau kommen gegenteilige Signale.“

Das ist geschickt formuliert, denn dem Leser wird suggeriert, Russland halte sich nicht an die Absprachen mit den USA und verweigere eine schon gefundene Übereinkunft. Das ist Unsinn, wie wir gleich sehen werden.

In dem Artikel kann man dann lesen:

„“Wir glauben, dass es eine grundsätzliche Einigung auf den höchsten Ebenen unserer beiden Regierungen gibt“, sagte der US-Sonderbeauftragte für Abrüstungsfragen, Marshall Billingslea, bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Heritage Foundation. Die US-Regierung möchte den im Februar ablaufenden New-Start-Vertrag über die Kontrolle von Atomwaffen für eine gewisse Zeit verlängern. Allerdings nur, wenn Russland zusage, sein Arsenal taktischer Atomwaffen zu begrenzen, sagte Billingslea. „Wir sind bereit, das Gleiche zu tun.“ Die USA seien interessiert an einem Deal, aber Moskau müsse auch den politischen Willen zeigen, sagte Billingslea.“

Diesen Absatz muss man auseinander nehmen, um ihn zu verstehen, denn er enthält in geballter Form Unwahrheiten und Verdrehungen.

Was Spiegel-Leser alles nicht erfahren

Zunächst behauptet der Spiegel, die „US-Regierung möchte den im Februar ablaufenden New-Start-Vertrag über die Kontrolle von Atomwaffen für eine gewisse Zeit verlängern.“ Das ist Unsinn, aber so, wie es im Spiegel steht, klingt es so, als seien es die USA, die den Vertrag verlängern wollen und als seien es die Russen, die das nicht wollen. Dabei ist Russland zu einer bedingungslosen Verlängerung nicht nur bereit, sondern fordert sie seit Jahren. Aber das erfährt der Spiegel-Leser nicht.

Und dann kommt die Einschränkung, die der Spiegel – ganz im Sinne der USA – positiv darstellt: Plötzlich soll es auch um taktische Atomwaffen gehen. Dass die USA den INF-Vertrag, der taktische Atomwaffen begrenzt hat, gerade erst einseitig gekündigt haben, erfährt der Spiegel-Leser an dieser Stelle nicht.

Mehr noch: Russland ist gerade bei den taktischen Atomwaffen zu weit mehr Einschränkungen bereit, als die USA. Russland fordert seit Jahrzehnten den Abzug der taktischen Atomwaffen der USA aus Europa und ist bereit, auch seine taktischen Atomwaffen aus dem europäischen Teil Russlands so weit hinter den Ural zu verlegen, dass sie Europa nicht mehr erreichen können.

Aber dreimal dürfen Sie raten, wer strikt gegen ein Atomwaffen freies Europa ist – Richtig, die USA, die ihre in der Türkei, in Deutschland und Belgien stationierten Atomwaffen partout nicht abziehen wollen. Auch das erfährt der Spiegel-Leser nicht.

Stattdessen erweckt der Spiegel den Eindruck, Russland wolle den letzten bestehenden Abrüstungsvertrag nicht verlängern und sei auch noch gegen eine Reduzierung der taktischen Atomwaffen. Das exakte Gegenteil ist der Fall, aber der Spiegel lässt den US-Vertreter unkommentiert sagen, die „USA seien interessiert an einem Deal, aber Moskau müsse auch den politischen Willen zeigen.“

Wer zeigt denn keinen politischen Willen? Der, der für eine bedingungslose Verlängerung des Vertrages ist, oder der, der Bedingungen stellt, die er gerade erst bei der Kündigung des INF-Vertrages ad absurdum geführt hat?

Der Spiegel als Propagandist der USA

Aber der Spiegel muss ja die US-Position vertreten und Russland schlecht aussehen lassen. Also folgt dann in dem Artikel:

„Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte der Agentur Interfax zufolge, dass ein von den USA gefordertes Einfrieren taktischer Waffen als Bedingung für eine Verlängerung des Abkommens für Moskau „unannehmbar“ sei.“

Das böse Russland will mehr Atomwaffen, das suggeriert dieses Zitat im Spiegel. Wir haben gesehen, dass das nicht wahr ist. Es war ja nicht Russland, dass den INF-Vertrag gekündigt hat, in dem es um taktische Atomwaffen ging. Russland war gegen die Kündigung des Vertrages.

Entsprechend harsch fiel die russische Reaktion auf die Worte von Billingslea aus und es verwundert, dass der Spiegel die nicht zitiert hat, denn geschickt in den Artikel eingebaut, hätte sie das gewollte anti-russische Narrativ sogar verstärken können, denn der Spiegel-Leser kennt ja all die hier erwähnten Hintergründe nicht. Das russische Fernsehen schrieb über die russische Reaktion:

„Das russische Außenministerium bezeichnete die Erklärung Washingtons über die angeblich getroffenen Vereinbarungen über die Frage der Verlängerung von NEW START Unsinn und Betrug. Zuvor hatte das US-Außenministerium erklärt, in dieser Frage sei eine „prinzipielle“ Einigung mit Moskau erzielt worden. Aber das russische Außenministerium stellte fest, dass Washington Wunschdenken als Wahrheit verkauft und hat dazu geraten, die russischen Dokumente sorgfältig zu studieren.“

Wie gesagt, die USA nutzen die Verhandlungen zu PR-Zwecken und nicht zu Verhandlungen. Diese Erklärung aus Washington, von einer „grundsätzlichen Übereinkunft“ zu reden, wenn es gar keine Übereinkunft gibt, ist ein weiterer Beleg dafür. Einen anderen Beleg gab es im Juni, als der gleiche Herr Billingslea bei Verhandlungen über NEW START in Wien chinesische Fähnchen auf die noch leeren Verhandlungstische stellte und ein Foto davon mit dem Kommentar twitterte, China sei nicht zu den Verhandlungen erschienen. Den politisch nicht Informierten suggerierte er damit, China habe zugesagt zu Abrüstungsverhandlungen kommen, sei dann aber nicht erschienen.

Wie gesagt, nimmt China an den Verhandlungen gar nicht Teil und diese Aktion von Billingslea war so derart plump, dass sogar im Spiegel bei der Gelegenheit ein paar kritische Worte zu lesen waren. Aber das war eine Ausnahme, wie das aktuelle Beispiel mal wieder zeigt.

Es ist wirklich schlimm, dass sogenannte Nachrichtenmagazine wie der Spiegel dieses Spiel der USA mitspielen. Immerhin war ja in der US-Erklärung nach der großspurigen (und unwahren) Meldung über eine Übereinkunft mit Moskau von einer Übereinkunft dann gar nicht mehr die Rede. Stattdessen war die Rede von Bedingungen, die die USA Russland stellen und über die nie verhandelt wurde, weil taktische Atomwaffen ein ganz anderes Thema sind, als strategische. Und wo es keine Verhandlungen gab, kann es keine „grundsätzliche Übereinkunft“ geben.

Trotzdem hat der Spiegel die US-Propaganda eins zu eins an seine Leser weitergegeben.

Wie so oft beim Spiegel: Die Wahrheit kommt am Ende des Artikels

Ich habe schon oft gezeigt, dass in den Desinformationsartikeln des Spiegel die Wahrheit manchmal im letzten Absatz steht. Man kann dem Spiegel nicht vorwerfen, sie verschwiegen zu haben. Sie kommt eben nur ganz am Ende, das viele gar nicht mehr lesen. Und die, die es lesen, sind nach dem langen Artikel so konditioniert, dass sie das, was da steht gar nicht mehr wahrnehmen. Der letzte Absatz in dem Artikel lautete:

„Die USA hatten im vergangenen Jahr den INF-Vertrag über die atomare Abrüstung im Mittelstreckenbereich aufgekündigt. Im Mai dieses Jahres kündigte Washington dann auch den Ausstieg aus dem „Open-Skies“-Abkommen mit Russland an, das beiden Seiten Beobachtungsflüge im Luftraum des anderen Vertragspartners ermöglicht. Wird der „New Start“ nicht verlängert oder keine neue Vereinbarung geschlossen, gäbe es erstmals seit Jahrzehnten kein Abkommen mehr, das den Bestand an strategischen Atomwaffen begrenzt.“

Hätte der Spiegel den Artikel mit diesen Informationen darüber begonnen, dass die USA alle Abrüstungsverträge gekündigt haben, hätte der Artikel gleich ganz anders geklungen und es wäre viel schwerer gewesen, die USA als die Guten darzustellen, die den letzten Abrüstungsvertrag erhalten wollen. Also stellt der Spiegel diese entscheidende Information eben ans Ende des Artikels.

Was der Spiegel-Leser gar nicht erfährt

Aber das war längst nicht alles, was Billingslea bei der Gelegenheit erzählt hat. Nur: Auch davon erfährt der Spiegel-Leser gar nichts, also informiere ich darüber.

Billingslea hat angekündigt, Kurz- und Mittelstreckenraketen an Chinas Grenzen zu stationieren, schließlich haben die USA ja in der Region ihre Vasallen Japan und Südkorea, wo sie die Dinger aufstellen können. Die Gefahr bei diesen Waffen ist, dass sie nur Minuten brauchen, um ihr Ziel zu erreichen und niemand weiß, ob sie eine Atombombe tragen oder nicht. China hat also praktisch keine Vorwarnzeit, um zu entscheiden, wie es auf einen Abschuss einer solchen Rakete reagieren soll. Das erhöht die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen, wenn auch nur ein Radar ein Signal zeigt, das man fälschlicher Weise für eine anfliegende Rakete hält und keine Zeit bleibt, es genau zu überprüfen.

Kurios war die Begründung, die Billingslea für die Stationierung solcher Raketen an Chinas Grenze geliefert hat: Er sagte bei der Videokonferenz, die auf YouTube veröffentlicht wurde, China könnte 1.000 oder 2.000 Raketen aufgestellt haben:

„Sie haben vielleicht Tausende, buchstäblich mehr als tausend, vielleicht zweitausend dieser ballistischen Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper gebaut und stationiert. (…) Und als Reaktion darauf werden wir unsere eigenen landgestützten Marschflugkörper entwickeln und stationieren.“

Er sagte nicht, dass das passiert ist, er sagte nur, es könnte sein.

Oder auch nicht.

Oder wie auch immer, aber das ist der Grund dafür, dass die USA nun Raketen an Chinas Grenzen stationieren werden.

Der Spiegel hat die Informationen für seinen Artikel aus der gleichen Videokonferenz, aus der auch die Aussage über China stammt. Das Titelbild des Spiegel-Artikels ist ein Screenshot aus besagter Videokonferenz. Der Spiegel hat sie also gesehen und davon gewusst.

Aber warum hat der Spiegel bei der Gelegenheit nicht auch über die Aussagen zu China berichtet?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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