Political Correctness

Undenkbar in Russland: Nun hat die Cancel-Culture in Berlin auch Ballett-Klassiker erreicht

In Berlin wurde das traditionelle Weihnachtsballett "Der Nussknacker" kurzfristig wegen angeblichem Rassismus abgesetzt. Das russische Fernsehens kommentiert diese neuen Auswüchse von Political Correctness und Cancel-Culture mit ungläubiger Ironie.

Dmitri Kisseljew, der Moderator der russischen Sendung „Nachrichten der Woche“ hat schon so manchen bissigen Kommentar über das abgegeben, was im Westen derzeit abläuft. Sei es die Cancel Culture, in der der Westen seine eigene Geschichte und Traditionen abschaffen will, sei es das Thema Gender oder auch die Political Correctness allgemein. Und auch die neuesten Phänomene, die man „Cancel Culture“ und „Woke“ nennt, werden in Russland nicht akzeptiert, wie ich hier aufgezeigt habe.

Dass diese neuen „westlichen Werte“ nicht nur bei den Journalisten in Russland auf Ablehnung stoßen, sondern in der russischen Gesellschaft nicht akzeptiert werden, war besonders deutlich so sehen, als bei einem Spiel der Fußball-EM in St. Petersburg die Spieler der belgischen Mannschaft der Meinung waren, vor dem Anpfiff niederknien zu müssen, wie es seit BLM in Mode gekommen ist. Was die Russen über diese Geste der neuen „westlichen Werte“ denken, haben sie mit einem unglaublich lauten Pfeifkonzert und Buhrufen deutlich gezeigt, die lauter waren, als der Jubel bei Toren.

Die neueste Posse der von BLM inspirierten Cancel-Culture kommt aus Berlin, wo das traditionelle Weihnachtsballett „Der Nussknacker“ abgesetzt wurde. Den russischen Kommentar aus der Sendung „Nachrichten der Woche“ von Sonntagabend zu dem Thema möchte ich Ihnen nicht vorenthalten und habe ihn daher übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die wilde Verschiebung der Kultur: Was ist falsch am beliebtesten Ballett der Welt?

Die deutsche Hauptstadt Berlin bleibt zu Weihnachten ohne den traditionellen „Nussknacker“. Tschaikowskis Wintermärchen wird durch „Don Quijote“ ersetzt, wo es um einem Ritter geht, der unter der sengenden Sonne durch die iberische Halbinsel reist. Das Berliner Staatsballett hat „Der Nussknacker“ aus seinem Programm gestrichen, weil die klassische Choreographie des russisch-französischen Choreographen Marius Petipa, der das Ballett 1892 am Mariinsky-Theater in St. Petersburg uraufführte, angeblich rassistisch ist.

„Der Nussknacker“ ist das beliebteste Ballett der Welt. Ballettensembles aus aller Welt verdienen damit bis zur Hälfte ihrer Einnahmen. Nun hat die ziemlich wilde kulturelle Verschiebung, die wir im Westen sehen, auch den „Nussknacker“ erwischt.

Es begann in Amerika und verbreitete sich dann in Europa. Den Deutschen gefällt zum Beispiel eine Szene im zweiten Akt nicht, in der Puppen aus Indien und China auftauchen. Es ist klar, dass die Tänzer entsprechend geschminkt sind, und wie kann man nur… Gesichter schwarz anmalen, und erst recht gelb? Denn dieses Blackfacing ist eine Rückkehr zu den Anfängen des letzten Jahrhunderts, als weiße Künstler und Straßenmusiker, die als Neger auftraten, ihre Gesichter einschmierten, die Lippen nach oben zogen und zur Belustigung des Publikums dumm herumtänzelnde Figuren imitierten. Der Sänger Jim Crow war der erste, der diese Figur erfunden hat, die dann populär wurde – er war selbst ein Schwarzer. Aber es waren die Weißen, die die kreative Idee nachgeahmt haben. Dies ist ein typischer Song dieses Genres: „Jump Jim Crow“. (Anm. d. Übers.: Da das „N-Wort“ in Russland nicht verpönt ist und nicht abschätzig benutzt wird, habe ich den Kommentar so übersetzt, wie er in der Sendung ausgestrahlt wurde, inklusive „N-Wort“ )

Es ist klar, dass es so etwas schon lange nicht mehr gibt, aber schwarz angemalte Gesichter wecken immer noch schmerzhafte Assoziationen, denn eine Reihe rassistischer Gesetze, die in den USA noch in Kraft waren, als bei uns Gagarin ins Weltall geflogen ist, wurden Jim Crow Gesetze genannt. Gemäß den Gesetzen lebten Weiße und Farbige in zwei einander nicht berührenden Welten, in denen Schwarze überall diskriminiert wurden – in der Bildung, bei der Arbeit, im Nahverkehr und sogar auf den Toiletten. Schwarze durften sich nicht einmal in Filmen selbst spielen. Weiße wurden gecastet und geschminkt, um Schwarze zu spielen, wie in „The Birth of a Nation“ von Regisseur David Griffith im Jahr 1915.

Jetzt haben sich die Dinge geändert und auch der schwarze Rassismus ist aufgeblüht, aber das Gesicht schwarz anzumalen – Blackfacing – ist fast kriminell. Erinnern Sie sich noch an Megyn Kelly, den Star von NBC mit dem 25-Millionen-Dollar-Jahresvertrag? Sie hat sogar mal Präsident Putin interviewt. Vor drei Jahren wurde sie entlassen, weil sie einen Witz darüber gemacht hatte, dass sie sich an Halloween das Gesicht eingeschmiert hatte, und sagte, dass das nichts Schlimmes sei und dass Schwarze ihr Gesicht weiß anmalen könnten, wenn sie wollten. Gleichberechtigung ist Gleichberechtigung. Und wo ist diese Megyn jetzt? Es gibt keine Megyn Kelly mehr in der Öffentlichkeit. Megyn wurde kulturell gecancelt.

Jetzt haben sie den „Nussknacker“ kulturell gecancelt. Sie denken darüber nach, wie sie das Ballett an die modernen Sitten anpassen können. Puppen aus Indien und China mit charakteristischer Schminke, das ist schlecht. Unendlich schlecht. Ursprünglich waren es bei Marius Petipa keine Puppen, sondern tanzende Süßigkeiten, und auch Tee aus China und Kaffee aus Indien. Aber Kaffee ist als Make-Up-Farbe auch wieder schlecht.

Die Berliner Staatsoper kam damit nicht klar. In Berlin mag man auch den sempedanischen Gang der chinesischen Schriftzeichen nicht, die kleinen Schritte. Aus irgendeinem Grund meinen die Deutschen, dass das Chinesen beleidigt. Warum sollte es? Der kleine Schritt gilt in China seit der Zeit von Konfuzius als Höflichkeit. Der Hochgeborene geht immer in kleinen Schritten, um seine Höflichkeit zu demonstrieren.

So wird es in dem klassischen Text „Gespräche und Urteile“, der aus Aufzeichnungen der Schüler von Konfuzius über ihren Lehrer besteht, beschrieben: „Wenn Konfuzius einen rituellen Jadeteller trug, sah er aus, als würde er sich ducken, bedrückt von dessen Bedeutung. Er hob ihn hoch, als wolle er grüßen, und senkte ihn dann, als wolle er ein Opfer bringen. Sein Gesicht veränderte sich ständig in Ehrfurcht, er bewegte sich in kleinen Schritten, trat auf die Fersen und hat nicht einen Fuß vom Boden gehoben. Bei der Übergabe der Geschenke blieb er zurückhaltend. Im privaten Gespräch war er fröhlich.“

Das also ist der Ursprung der kleinen Schritte von Marius Petipa. Und Tschaikowsky hatte den endsprechenden musikalischen Rhythmus für sie. Und jetzt sagt man im Westen, dass das Ballett falsch ist, nach dem Motto: Petipa war nie in Indien oder China und Tschaikowsky auch nicht. Und genau deshalb ist das alles falsch. Ich will mich darüber nicht einmal streiten. Erschafft doch erst einmal etwas derartiges

Wozu ein brillantes russisches Ballett ruinieren? Und das auch noch in der Weihnachtszeit. Wobei: wenn man es genau nimmt, ist „Don Quijote“, der jetzt in Berlin den „Nussknacker“ ersetzt, auch nicht das politisch korrekteste Werk. Er ist schließlich ein Ritter. Er zerstört Windmühlen. Die Windmühle, mit der der Ritter kämpft, ist der Prototyp der modernen Windräder. Haben die in Berlin das nicht bemerkt?

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Lieber Thomas, man denkt immer dass uns nichts mehr schockieren kann, und dann setzen die doch noch einen drauf! UNFASSBAR was sich da tut. Aber klar – der böse Russe mit seinem Ballett, das geht ja gar nicht! Hmm mal überlegen – och da faseln wir doch mal über Rassismus – schwarz geht gar nicht und gelb (die bösen Chinesen) geht auch nicht und schon hat man einen Aufhänger gefunden! Mir ist schon schlecht, doch ich denke wenn ich Dein neues Buch in den Händen halte dann muss ich mich ins Bett legen!

  2. Mein Tipp an die russische Bevölkerung ist folgender: Die Menschen im Westen sind auch nicht dümmer als anderswo. Man sollte das, was hier abläuft nicht als Zeichen der Dummheit der westlichen Menschen interpretieren sondern als Beweiß, was Propaganda vermag. In Bezug auf Corona konnte man sogar aus den Deutschen wieder Faschisten machen, die sogar noch glaube sie seine totale Antifaschisten. Und das vermag Propaganda mit Menschen überall. Was meiner Meinung nach wichtig ist für andere Länder, die noch nicht so faschistisch sind wie Deutschland, ist, aus diesen Fehlern zu lernen.
    Man muss sich einfach mal ansehen wie leicht Merkel und co das den Deutschen eigentlich heilige Grundgesetz mitsamt dem Nürnberger Codex und dazu auch noch die Lehren aus dem Untergang der Titanic und aus dem Conterganskandal einfach so in den Müll befördern konnte. Wenn sowas möglich ist, und es ist ja passiert, dann ist alles wieder möglich. Es sollte ein Warnung an die Russen sein. Der Faschismus ist überall näher als man denkt. Die Gefahr ist einfach wie immer, dass Psychopathen einfach zuviel Geld und damit zuviel Macht haben.

    1. Cancel Culture ist genau das gleiche Prinzip. Wobei das Totspritzen von Kindern und Babys im Mutterleib schon eine etwas andere Dimension ist. Und wer rettet die Deutschen diesmal?? Es ist niemand in Sicht.

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