"Direkter Draht"

Putin stellt sich vier Stunden den Fragen der Russen

Jedes Jahr gibt es in Russland die Sendung "Direkter Draht zum Präsidenten", bei der der russische Präsident sich etwa vier Stunden lang live den Fragen der Russen stellt. Was waren in diesem Jahr die Themen?

Die westlichen Medien reden jedes Jahr von einer „Propaganda-Veranstaltung“, wenn sich der russische Präsident sich in der Fragestunde „Direkter Draht zum Präsidenten“ vier Stunden lang den Fragen der Russen stellt. Das mag man so sehen, denn natürlich muss man bei dieser Veranstaltung davon ausgehen, dass Putin zumindest mit den Themen der kommenden Fragen vertraut ist, denn die Fragen gehen schon Tage vorher ein und natürlich findet eine Auswahl statt, denn während der Sendung antwortet Putin auf ca. 60-70 Fragen, es sind in diesem Jahr aber über zwei Millionen Fragen eingegangen.

Aber es ist keineswegs so, dass bei der Veranstaltung nur „genehme“ Fragen oder Themen behandelt werden, im Gegenteil. Es geht auch und vor allem um vieles, was in Russland nicht rund läuft und worüber die Bürger sich beschweren oder wobei sie um Hilfe bitten. Da ich aus eigenem Erleben von meiner Teilnahme an Putins Jahrespressekonferenzen weiß, dass Putin dabei keine vorgefertigten Fragen bekommt und vorher nicht weiß, was die Journalisten fragen werden, gehe ich beim „Direkten Draht zum Präsidenten“ davon aus, dass Putin zwar über die Themen, die voraussichtlich dran kommen, informiert ist, aber wohl nicht über die konkreten Fragen. Er kennt sich gut genug aus, um auch kritische Fragen (zum Beispiel von westlichen Journalisten) zu beantworten, wie wir gerade wieder bei Putins Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen von Putin und Biden gesehen haben.

Ich finde die Veranstaltung jedes Jahr beeindruckend, denn es gibt keinen anderen Staats- oder Regierungschef auf der Welt, der sich vier Stunden lang live im Fernsehen den (auch kritischen) Fragen der Bürger stellt. Und selbst wenn man annimmt, dass Putin die Fragen vorher kennt (was ich nicht glaube), ist eine solche Veranstaltung trotzdem eine anerkennenswerte Leistung. Es wird Gründe haben, dass kein anderer Präsident der Welt das Risiko eingeht, sich vier Stunden lang live den Fragen seiner Bürger zu stellen, denn vier Stunden sind eine lange Zeit. Oder können Sie sich vorstellen, dass Merkel oder Biden sich vier Stunden lang live im Fernsehen den Fragen der Menschen im Land stellen?

Die wichtigsten Themen von Putins Fragestunde waren innenpolitische und soziale Themen, aber es gab auch ein paar interessante Fragen und Antworten zu internationalen Themen. Da ging es wieder um Sanktionen, das Verhältnis zur Ukraine und zur Nato, aber auch um aktuelle Themen, wie den Vorfall mit dem britischen Zerstörer Defender in den russischen Hoheitsgewässern vor der Krim.

Ich werde diese für das ausländische Publikum interessanten Passagen wie immer wörtlich übersetzen und warte derzeit, bis das vollständige Wortprotokoll veröffentlicht ist, was vermutlich am Donnerstag der Fall sein wird. Die Verzögerung von einem Tag gibt mit auch die Möglichkeit, in meinen Artikeln auf das zu reagieren, was die deutschen Medien über Putins Aussagen berichten, da sie in den vergangenen Jahren gerne viel weggelassen oder verdreht haben.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

11 Antworten

  1. Es gibt in Russland übrigens auf der Website jeder Oblast einen Button: Büro des Präsidenten der RF. Dort kann sich jeder Bürger mit seinen Fragen ans Präsidialbüro wenden und ich habe daneben gestanden,als man sich darüber unterhielt, dass Putin sich ab und an erkundigt, ob die Fragen auch ordentlich beantwortet werden.
    Bei der Merkel oder diesem Steinmeier undenkbar! Die werden hermetisch vor kritischen Fragen abgeschirmt und kritische Fragen werden vom Kanzleramt oder den Briefbeantwortern von Steinmeier (der kriegt die Fragen nämlich gar nicht zu sehen) erst gar nicht beantwortet!

    1. Die gestellte Frage klingt für denjenigen, welcher eben NUR die Machtposition einer Merkel & Konsorten kennt in Corona-Fragen, dass die „BastaDemokratur“ auch in Russland so funktioniert. Das die Bundesländer wie eine Dackelherde, sich das eigene Denken abschalten lassen. Eben, dass „Die Regierung“ über allem steht, was in diesem riesigen Land geschieht. Dem ist eben NICHT SO.

      Zur Impfpflicht sagt er (ohne Garantie der absolut richtigen Übersetzung)

      „Ich habe damals gesagt, dass ich eine Impfpflicht nicht befürworte. Und an diesem Standpunkt halte ich auch weiterhin fest“.
      Dennoch sei die in einigen Regionen eingeführte Impfpflicht für Arbeitnehmer sinnvoll, „um die Notwendigkeit einer Abriegelung zu verhindern“, und dies stehe voll im Einklang mit dem Gesetz: „Es gibt hier in Russland keine Verwirrung.

      Doch schon eben, ob Putin tatsächlich den Begriff Impfpflicht so ausgedrückt hat, wie die oben eingestellte freie Übersetzung suggeriert, weiß ich letztendlich erst dann, wenn entweder meine eigene „Quelle“ in Fragen Übersetzung- oder eben Thomas Röper das tut…

      Denn warte ich es erst mal ab…

      1. Vielen Dank für Ihre Übersetzung des Zitats bezüglich der Impfpflicht.

        Auf RT-Deutsch kursiert derzeit ein angebliche Aussage Putins, dass die Ausbreitung des Virus nur durch eine breite Impfkampagne zu verhindern sei.

        Ebenso die Übersetzung eines Zitats, welche auf Spekulationen bzw. Verschwörungen zur Pandemie eingeht.
        Link: de.rt.com/russland/120058-putin-spekulationen-uber-verschworung-staatschefs-der-welt-uber-pandemie-sind-unsinn/

        Mich würde brennend interessieren ob hier der Wortlaut (und damit die Bedeutung der Aussagen) korrekt wiedergegeben wurde. Falls Sie oder der liebe Thomas, diese Stelle im Wortprotokoll übersetzen könnten, wäre ich sehr dankbar.

        Lieben Gruß

  2. Wladimir Wladimirowitsch Putin ist einfach nur genial. Habe das komplett auf der Autobahn über Kopfhörer (englische Übersetzung) angehört. Bin aber skeptisch bezüglich der Wortwahl des Übersetzers, ob das mal alles so gesagt wurde wie übersetzt. Des weiteren streckenweise über 5 Minuten dann die Internetverbindung weg war. Im übrigen – um das mal zu sagen- auf deutschen Autobahnen. Die letzten 1.5 Stunden in Polen lief das ohne einen einzigen Aussetzer rund. Bin dementsprechend auf die Auswahl von T.R. gespannt, was er so als das Wesentliche betrachtet. Neben Stone und Seipel zähle ich Thomas Röper als eben wirklich anzuerkennende Größen, geht es um das zu erkennen, was er- Putin – tatsächlich zwischen den Zeilen sagt. Wobei ich mir bei der ersten beiden aufgrund der Sprachbarriere nicht absolut sicher bin, ob tatsächlich alles so berichtet wird, wie gesagt. Ich selbst kann auch nicht Röpers Übersetzungen aus dem russischen ( der „diplomatischen Bildsprache“) nachvollziehen. Doch da vertraue ich zu 101 % einer Freundin. Linguistin, die seit Jahren mir hilft, dass zwischen den Zeilen zu verstehen, was so manch einer in Russland zwischen den Zeilen sagt. Vor allem Putin. Und sie sagt, dass der T.R. der Beste ist im Deutschsprachigen…. manchmal mit skruden Ansichten, wie sie sagt…doch das ist dann wieder was anderes. ( Grins) Des Russen Seele, wie sie sagt, versteht der Thomas so, wie jeder Russe es versteht, wenn Putin spricht. Und da Putin- wie sie sagt – eben dem Grunde nach ALLES was er sagt, an sein Volk gerichtet sagt, ist eben es für sie selbst schon eine Herausforderung, eklatantes Fehlverständnis in der Wortwahl der Übersetzung zu finden.

    SO. Das wollte ich dann mal gesagt haben.

    Vor allem den Nasen, welche hier bezahlt- oder unbezahlt ihren Anti-Anti-Quark mehr und mehr zum Besten geben. Die kennen nur die „Der Spiegel-Tagesschau-Übersetzung“ der russischen Seele.

    1. Mein Kommentar von 15.02 Uhr war eigentlich als Antwort an Sie gedacht, aber natürlich auch für die ganze Kommentatorenschaft. Ich muss wohl vergessen haben vorher den richtigen Button anzuklicken.

  3. Ich stimme Ihnen auch zu: ich habe auch großes Vertrauen in die Berichterstattung von Herrn Röper, nicht nur aber auch und gerade wenn er uns was übersetzt, was sicher auch mühevoll ist und ordentlich Zeit kostet.

    Ich kann das auch an verschiedenen Kriterien festmachen:
    1.) Für ihn ist Wahrheit in der Tat, dass man etwas so wiedergibt, wie es in Wirklichkeit tatsächlich ist oder bei Wortbeiträgen, wie es gesagt bzw. gemeint war. Also Übereinstimmung von objektiver Wirklichkeit und Widerspiegelung.
    2.) Wenn ihm mal ein Fehler oder Irrtum unterläuft, dann sagt er das offen und klärt seine Leser bzw. bei „Tacheles“ seine Zuschauer darüber auf.
    3.) Seine Zurückhaltung bei sehr aktuellen und frischen Ereignissen und Vorgängen. Er wartet lieber einige Tage und verzichtet auf den großen „Scoop“, recherchiert weiter bis so viel Klarheit besteht, dass ein Artikel auch auf soliden Beinen steht. Schaut auch immer was beide Seiten zu einer Sachen sagen, gerade in der Auseinandersetzung Russland/ Westen. (Alter Grundsatz auch in der Juristerei: Audiatur et altera pars).
    4.) Seine Biographie: So weit ich diese kenne, gab es da überhaupt keine russlandaphine Kindheit und Jugend, auch keine Unterrichtung in russischer Sprache. Der Kontakt zu Osteuropa und Russland kam erst im Rahmen seines Berufes in der Finanzbranche zustande. Hier war es sicher auch ein langer Prozess, bis ihm klar wurde, wie unredlich und am eigenen Interesse orientiert das Agieren des wirtschaftlichen und politischen Westens und vor allem die Berichterstattung seiner Leitmedien war. Diese bis heute andauernde und immer noch zunehmende Unredlichkeit weiter Teile des Westens ging ihm kräftig gegen das eigene Gerechtigkeitsempfinden. Es ließ ihm keine Ruhe. So ist er selbst zum Autor geworden, eben auch zu einem“Cooperator Veri-tatis“. Natürlich hätte man das auch mit einer klassischen DDR-Biographie werden können. Aber gerade diese Metamorphose vom
    Stern und Spiegel lesenden und sich top informiert fühlenden „Wessi“ zum kritischen und an der Wahrheit interessierten Autor ist für mich
    besonders überzeugend.

    Ich weiß noch als ich letztes Jahr im August tief verzweifelt bei Google eingegeben habe: „Was ist nur in Weissrussland los?“ und so letztlich auf den anti-spiegel gestossen bin. Das war für mich wirklich eine Offenbarung. Die ganze MSM-„Berichterstattung“, angefangen vom
    gemeinschaftlichen Wechsel der Landesbezeichnung (von Weissrussland auf Belarus), roch selbst für mich als bis dahin mittelmäßig bis schlecht informierten Durchschnittsdeppen schon so stark nach orchestriertem und manipulierten Zusammenspiel zwischen „Opposition“, westlicher Politik und Medien, dass mich das fast krank gemacht hat. Über den anti-spiegel erfuhr ich dann nach und nach von „nexta“, von Franak Viacorka, von dem Thinktank „Liberale Moderne“ und seiner Diskussionsveranstaltung in Berlin zu Weißrussland und wie westliche Vertreter da mehr oder weniger schon von einer Übernahme Weissruss-lands gesprochen haben usw. Da wurde mir klar, woher der Wind weht.

    Lange Rede, kurzer Sinn! Meine Damen und Herren: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2021 für THOMAS RÖPER!

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