Nun doch? USA wollen anscheinend letzten atomaren Abrüstungsvertrag erhalten

Nachdem die USA unter Trump kein Interesse an einer Verlängerung des letzten noch bestehenden Abrüstungsvertrages gezeigt haben, ist nun Bewegung in die Sache gekommen. Anscheinend macht das Biden-Team seine Ankündigung wahr, den Vertrag erhalten zu wollen.

Die USA haben in den letzten 20 Jahren alle früher abgeschlossenen atomaren Abrüstungsverträge gekündigt. Der letzte Vertrag, der noch besteht, ist der NEW-START-Vertrag, der die Anzahl der einsatzbereiten nuklearen Sprengköpfe auf strategischen Trägersystemen, also Interkontinentalraketen oder Atom-U-Booten, regelt. Dieser Vertrag läuft jedoch planmäßig am 5. Februar aus, wenn er nicht verlängert wird. Der Vertrag sieht eine einmalige Verlängerungsoption für bis zu fünf Jahre vor, wenn die USA und Russland dies wollen. Informationen über alle früheren atomaren Abrüstungsverträge finden Sie hier.

Russland tritt für atomare Abrüstungsverträge ein

In meinem Buch über Putin finden sich ungezählte Zitate aus den 20 Jahren seiner Regierungszeit, in denen er für den Erhalt der bestehenden Abrüstungsverträge geworben hat. Und selbst als die USA zuletzt den INF-Vertrag einseitig gekündigt haben, der landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen verboten hat, hat Putin mehrmals angekündigt, dass Russland solche Waffen nicht als erstes in Europa – also dem europäischen Teil Russlands – stationieren wird und er hat die Nato aufgefordert ebenfalls auf die Stationierung solcher Waffen in Europa zu verzichten. Die Reaktionen im Westen waren verhalten, entweder wurde über Putins Initiativen gar nicht berichtet, oder sie wurden in ein schlechtes Licht gestellt, gerne auch, indem dazu die Unwahrheit gesagt wurde.

Unter Trump waren die USA gegen atomare Rüstungsbegrenzung. Trump hat den INF-Vertrag gekündigt und wollte den NEW-START-Vertrag auslaufen lassen. Kurz nach der US-Wahl habe ich in einer Analyse die Frage gestellt, ob Russland auch Gründe haben könnte, sich darüber zu freuen, dass Biden nächster US-Präsident wird. Und tatsächlich: Auch wenn Biden und sein Team grundsätzlich für eine zutiefst anti-russische Politik stehen, gibt es für Russland in einigen Punkten durchaus Grund zur Freude. Und wie ich damals schon ausgeführt habe, ist einer davon, dass Biden den NEW-START-Vertrag erhalten wollte.

Erste Anzeichen dafür, dass der Vertrag noch eine Chance hat, gab es bereits Anfang Dezember, als Vertreter des Pentagon den Vertrag plötzlich wieder sinnvoll fanden. Und Putin hat auf seiner Jahrespressekonferenz Mitte Dezember seinen Vorschlag wiederholt, den Vertrag ohne Vorbedingungen zu verlängern.

Intensive Gespräche seit dem 21. Januar

Kaum war Biden im Amt, gab es Meldungen aus den USA, dass die neue US-Regierung den Vertrag tatsächlich erhalten will. Schon am 21. Januar berichteten sowohl der Spiegel, als auch RT-Deutsch über noch inoffizielle Meldungen aus Washington, dass Biden den Vertrag verlängern wolle. Russland hat noch am gleichen Tag reagiert und Biden angeboten, den Vertrag um die maximal möglichen fünf Jahre zu verlängern.

Einen Tag später hat das Pentagon als Reaktion auf Bidens Wunsch nach einer Verlängerung des Vertrages erklärt, der Vertrag liege im Interesse der USA. Und auch Bidens Sprecherin Psaki sagte am 22. Januar, dass die USA den Vertrag nun um die maximal mögliche Frist verlängern wollen, weil angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Washington und Moskau von besonderer Wichtigkeit sei. Am gleichen Tag berichtete das russische Fernsehen über die Reaktion der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharova, und zitierte sie wie folgt:

„Wir können jede Initiative nur begrüßen. Russland hat sich konsequent für eine solche Entscheidung eingesetzt und setzt sich weiterhin dafür ein.“

Am 25. Januar fand bereits ein Gespräch zwischen den zuständigen Verhandlungsführern Nikolay Patruschev und Jacob Sullivan statt. Laut Angaben des russischen Sicherheitsrates fanden die Gespräche auf Initiative aus Washington statt, was man als weiteres positives Zeichen werten kann.

Am 26. Januar berichtete das russische Fernsehen in einem kurzen Artikel über den aktuellen Stand. Dort hieß es unter anderem:

„NEW-START steht kurz vor dem Aus, weshalb Russland und die Vereinigten Staaten die Frage der Verlängerung des Vertrags aktiv diskutieren, sagte Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten.
„Es bedarf wirklich energischer Kontakte, energischer Anstrengungen, um zur finalen Frage der Verlängerung zu kommen. Die Verlängerung liegt sowohl im Interesse beider Länder als auch im Interesse der Welt.“ (…)
Am 26. Januar sagte US-Präsident Joseph Biden, dass die Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland einer Verlängerung des Abkommens nicht im Wege stehen sollten.“

Es bleiben nur noch knapp zehn Tage bis der Vertrag ausläuft, aber es scheint doch wieder Hoffnung zu geben, dass der letzte noch bestehende Abrüstungsvertrag gerettet werden kann und damit genug Zeit bleibt, über einen Nachfolgevertrag zu verhandeln.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Dort gibt es auch ein Kapitel über die Migrationskrise in Europa, wo sie erfahren können, was Putin dazu sagt. Das Thema Terrorismus zieht sich natürlichm wie ein roter Faden durch das Buch und Putins Lösungsvorschläge unterscheiden sich in überraschender Weise von denen der westlichen Politiker.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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