Die Woche der Gipfeltreffen

Der Nato-Gipfel, seine Ergebnisse und die russische Reaktion

Die letzte Woche der Gipfeltreffen begann mit dem Gipfel der G7, auf den der Nato-Gipfel folgte. Bei allen Gipfeln der westlichen Staaten in der letzten Woche waren die dominierenden Themen Russland und China.

Der Nato-Gipfel brachte keine Überraschungen, außer vielleicht, dass die USA sich offensichtlich mit ihrem klar anti-chinesischen Kurs durchgesetzt haben. Aber das war schon vorher an den Erklärungen der EU absehbar, denn die EU ist in den letzten Wochen und Monaten auf einen offen anti-chinesischen Kurs umgeschwenkt, der auch die Wirtschaft in Europa treffen wird. Ein schon fertiges Abkommen mit China über Investitionen wurde praktisch über den Haufen geworfen und mit ihren ersten anti-chinesischen Sanktionen hat die EU sich in Peking auch keine Freunde gemacht. Dass die Chinesen auf einseitige Sanktionen aus dem Westen nicht so nachsichtig und geduldig reagieren, wie zum Beispiel Russland, war absehbar, hat in Brüssel aber trotzdem einige erschrocken.

Dass die Nato China als Bedrohung ansieht, entlarvt die Nato als das, was sie ist: Ein Instrument der USA zur Durchsetzung ihrer Ziele. China kann keine Bedrohung für die Nato sein, wenn man die Nato als das versteht, was sie angeblich und offiziell ist: Ein militärisches Verteidigungsbündnis der nordatlantischen Staaten.

China bedroht aber kein Land im nordatlantischen Raum, niemand behauptet, China wollte oder könnte Europa oder die USA militärisch angreifen. China liegt auch nicht am Atlantik, sondern am anderen Ende der Welt. Und China bedroht europäische Länder auch nicht wirtschaftlich, im Gegenteil wächst der gegenseitig Handel zum beiderseitigen Vorteil.

Chinas wachsende Macht bedroht auch die USA nicht, sondern einzig und allein den Weltmachtsanspruch der USA. Nur darum geht es, während Medien und Politik im Westen den Menschen mit Phrasen über Menschenrechte und ähnliches Sand in die Augen streuen. Ginge es um Menschenrechte, müsste die Nato Saudi-Arabien und andere Staaten ins Visier nehmen, bevor sie sich um China oder Russland kümmert.

Über die Ergebnisse des Nato-Gipfels habe ich schon berichtet, die Zusammenfassung finden Sie hier. Jetzt möchte ich aufzeigen, wie das offizielle Moskau die Ergebnisse des Gipfels beurteilt und habe dazu die offizielle Erklärung des russischen Außenministeriums übersetzt, die Maria Sacharova, die Sprecherin des Ministeriums, am Donnerstag abgegeben hat.

Beginn der Übersetzung:

Das Ergebnis des NATO-Gipfels, der am 14. Juni dieses Jahres in Brüssel stattfand, war für uns erwartbar und vorhersehbar. Die Allianz träumt offensichtlich von einer globalen Rolle. Sie bereitet sich auf eine Rivalität mit China vor, dessen „Bestrebungen und selbstbewusstes Verhalten“ zur Herausforderung für den Euro-Atlantik erklärt wurden. Jahr für Jahr kann man diese zusammenfassenden Dokumente über Bedrohungen und Herausforderungen lesen, die Jahre vergehen, aber diese Bedrohungen und Herausforderungen treten nicht ein. Es stellt sich heraus, dass sie aus völlig anderen Richtungen kommen und mit völlig anderen Probleme zusammenhängen. Da kommen mir die berühmten Zeilen in den Sinn: „Aber er bittet rebellisch um einen Sturm, als ob es in Stürmen Frieden gäbe!“ Mir scheint, dass dieser NATO-Gipfel und seine Ergebnisdokumente wieder einmal von genau diesem Gedicht von Lermontov inspiriert wurden.

Es gab Drohungen, Artikel 5 zur kollektiven Verteidigung im Falle eines „Angriffs im Weltraum“ und von Angriffen im Cyberspace anzuwenden. Was den Cyberspace betrifft, so hören wir regelmäßig davon. Aber einen „Angriff im Weltraum“ – was erwarten unsere NATO-Partner da? Es wäre interessant, diesen Gedanken weiterzuentwickeln.

Das senkt die Schwelle für die Anwendung von Gewalt, verschlechtert die Sicherheitslage für alle Länder und erschwert ernsthaft die Aussicht auf das Erreichen universeller Vereinbarungen, die darauf abzielen, die Nutzung des Weltraums und des Cyberspace für nicht-friedliche Zwecke zu verhindern. Im ideologischen Sinne besteht der Anspruch, die „demokratische Welt“ gegen die „Autokratien“, einschließlich China, zu vereinen. Das ist offenbar die Grundlage des neuen ideologischen Konzepts. Nicht mehr und nicht weniger.

Was Russland betrifft, so befindet sich die Allianz immer noch in der von ihr erfundenen „Realität“. Erneut ist von „aggressiven Aktionen“ Russlands die Rede, die im Kommuniqué des Treffens als Bedrohung der euro-atlantischen Sicherheit bezeichnet werden. Die Position des Blocks zu Russland ist festgefahren und der destruktive, so genannte duale Ansatz von „Eindämmung und Dialog“ bleibt bestehen. Ich frage mich, wann das bei denen mal funktioniert hat?

Führende Vertreter der Länder des Bündnisses erklären, dass die NATO angeblich seit mehr als 25 Jahren versucht, partnerschaftliche Beziehungen zu Russland aufzubauen. Man hat uns vorgeworfen, diesen Prozess gesprengt zu haben, die Werte, die Prinzipien, das Vertrauen und die Verpflichtungen zu verletzen, die in den vereinbarten Dokumenten, auf denen die Beziehungen zwischen Russland und der NATO beruhen, niedergelegt sind. Zu den Vorwürfen gegen uns gehören „militärische Aufrüstung“, provokative Aktivitäten, auch in der Nähe der NATO-Grenzen, unangekündigte plötzliche groß angelegte Manöver, die Stationierung von Dual-Use-Raketen im Kaliningrader Gebiet, die Verstärkung der militärischen Zusammenarbeit mit Weißrussland und, was noch lächerlicher ist, „wiederholte Verletzungen des Luftraums von NATO-Mitgliedsstaaten“. Unser Vorschlag für ein gegenseitiges Moratorium für die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa mit der Möglichkeit, dessen Umsetzung zu verifizieren, wurde für nicht überzeugend erklärt und eine Diskussion darüber komplett abgelehnt. Ein weiterer Akt im Absurditäten-Theater.

Russland wird erneut aufgefordert, „sich an das Völkerrecht und seine Verpflichtungen zu halten“. Solange Russland dies angeblich nicht tut, wird die Allianz eine Politik der „Eindämmung“ unseres Landes verfolgen, auch durch eine Vorwärtspräsenz an der „Ostflanke“. Dabei versichern sie uns, dass alles, was von der Allianz unternommen wird, angeblich nicht der Russland-NATO-Grundakte widerspricht. Sie sagen, dass „das Bündnis keine Konfrontation sucht und Russland nicht bedroht“, als ob es nicht das Bündnis ist, das immer mehr Länder in sein „Netz“ zieht. Als ob es nicht seine Mitglieder wären, die regelmäßig Manöver mit vielen Tausenden Soldaten – und nicht nur auf ihrem Territorium – durchführen, ihr militärisches Potenzial und ihre Infrastruktur in die Nähe der russischen Grenze bringen und ihre gemeinsame Militärausgaben bereits eine Billion Dollar überschritten haben und mehr als die Hälfte der weltweiten Militärausgaben ausmachen.

Während des Gipfels beauftragten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer den NATO-Generalsekretär, mit der Aktualisierung des strategischen Konzepts des Blocks zu beginnen, das auf dem nächsten Gipfel 2022 in Spanien verabschiedet werden soll. Wir hoffen, dass es die Realitäten unserer Zeit widerspiegelt und nicht die Phantasien einiger Mitglieder der Allianz. Man möchte glauben, dass eine Struktur mit einer so reichen Geschichte in der Lage ist, von fiktiven Bildern zu Fakten zu gelangen. Aber wie kann die NATO ohne die „Bedrohung aus dem Osten“ auskommen? Nach den Ergebnissen des Gipfels zu urteilen – gar nicht. Oder man muss bei sich zu Hause etwas radikal verändern.

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Ein Kommentar zur militärischen Seite des „China-Problems“:

    США вынуждают Китай резко увеличивать свой ядерный арсенал
    Пекин должен себя обезопасить до реализации Вашингтоном своих планов в рамках «Тихоокеанской инициативы сдерживания»

    Die USA zwingen China, sein nukleares Arsenal drastisch zu erhöhen
    Peking muss sich absichern, bevor Washington seine Pläne im Rahmen der Pacific Deterrence Initiative umsetzt

    https://russtrat.ru/comments/19-iyunya-2021-0010-4706

Schreibe einen Kommentar