Wie ist die Lage vor der Libyen-Konferenz am Wochenende in Berlin?

Libyen beherrscht die Schlagzeilen und für das Wochenende ist in Berlin eine Libyen-Konferenz geplant, auf die einerseits viele Hoffnungen gesetzt werden, deren Erfolgsaussichten andererseits aber auch sehr skeptisch eingeschätzt wird.

Seitdem der Westen Libyen 2011 zerstört hat, herrschen im Land Bürgerkrieg und Chaos. Eine Zusammenstellung der Hintergründe finden Sie hier.

Derzeit ist das Land im Wesentlichen zwischen zwei Parteien aufgeteilt. Einerseits ist das die international anerkannte Regierung, die jedoch außer der Hauptstadt Tripolis und einem kleinen Küstenstreifen keine Kontrolle über das Land hat. Andererseits ist das das Parlament, das sich in den Osten des Landes abgesetzt hat und auf dessen Seite General Haftar kämpft, den die Meiden gerne als „Warlord“ bezeichnen. Haftar hat wahrscheinlich de facto die Macht dort und beherrscht den Osten des Landes.

Beide Seiten stehen einander unversöhnlich gegenüber und haben verschiedene internationale Unterstützer. Die Regierung in Tripolis wird von Italien und mehr oder weniger deutlich von anderen westlichen Ländern unterstützt. Und natürlich von der Türkei, die gerade ein Abkommen mit der Regierung getroffen hat, in dem sie das westliche Mittelmeer mehr oder weniger unter sich aufgeteilt haben. Es geht dabei um Gasvorkommen im westlichen Mittelmeer, die sich die Türkei sichern möchte.

Haftar im Osten des Landes wird von Ägypten und arabischen Staaten unterstützt und er war vor kurzem auch in Paris zu Besuch. Außerdem wird behauptet, Russland unterstütze ihn, was die russische Regierung jedoch bestreitet. Russland inszeniert sich als neutraler Vermittler und es ist schwer zu überprüfen, ob Russland Haftar nicht doch unterstützt. Sicher ist jedenfalls, dass er in der Vergangenheit mehrmals in Moskau war und aus seiner Vergangenheit durchaus Kontakte zur russischen Regierung hat.

Haftar ist eine schwer einzuordnende Figur. Er war ein Partner von Gaddafi, als dieser sich 1969 an die Macht geputscht hat. Er hat in den 1970er Jahren in Moskau eine militärische Ausbildung bekommen und spricht Russisch. In den 1980er Jahren versuchte er einen Putsch gegen Gaddafi und musste im Ergebnis in die USA fliehen. Er hat für die CIA gearbeitet und 1990 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen.

Wir sehen, die Situation in Libyen ist mehr als unübersichtlich und man kann nur schwer sagen, welche Staaten da hinter den Kulissen welche Fäden ziehen.

Nachdem die Türkei und Tripolis ihr Abkommen unterschrieben haben, hat die Türkei Anfang des Jahres auch militärische Hilfe für Tripolis angekündigt und geschickt. Das war der Moment, in dem der libysche Konflikt wieder in die internationalen Schlagzeilen geraten ist.

Putin war nur Tage später bei Erdogan, um eine Lösung zu finden und die beiden haben sich auf eine Waffenruhe geeinigt, die die Konfliktparteien schließlich akzeptiert haben. Natürlich gibt es – wie immer in solchen Fällen – auch Verstöße gegen die Waffenruhe und gegenseitige Vorwürfe, aber seit einigen Tagen gilt die Waffenruhe zumindest.

Am 13. Januar fanden Gespräche in Moskau statt, die aber zu keiner Einigung geführt haben. Haftar hat sich geweigert, das vorgelegte Papier zu unterzeichnen. Ihm gefielen die Details der Entwaffungsvereinbarungen nicht und er hat Nachbesserungen verlangt. So blieben die Gespräche in Moskau ergebnislos. Hinzu kam noch, dass der Chef der Regierung in Tripolis, Sarradsch, sich geweigert hat, direkt mit Haftar zu verhandeln.

Nun also steht in Berlin die Libyen-Konferenz an, die am kommenden Wochenende stattfinden soll. Merkel war am letzten Wochenende in Moskau und Putin hat ihr Unterstützung zugesagt. Nach Pressemeldungen soll die Konferenz auf „höchster Ebene“ stattfinden, also auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Erdogan hat bereits angekündigt, dass er persönlich teilnehmen wird. Wer aus Russland anreist, habe ich noch nicht lesen können. Dass es darüber noch keine Meldungen gibt, kann daran liegen, dass man in Russland schon seit einigen Tagen wusste, dass die Regierung nach Putins Rede an die Nation zurücktritt.

Möglich ist, dass Putin selbst nach Berlin kommt, er könnte aber auch den amtierenden Ministerpräsidenten Medwedew oder den amtierenden Außenminister Lawrow schicken.

Die Gemengelage in Libyen ist äußerst unübersichtlich, daher ist es schwer, eine Prognose über die Erfolgsaussichten der Konferenz zu machen. Es sind Vertreter der USA, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas, der Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei sowie Italiens, Ägyptens, Algeriens und der Republik Kongo geladen, außerdem EU, die Afrikanische Union und UNO.

Libyen ist ein strategisch wichtiges Land. Zum einen wegen seiner reichen Bodenschätze, es ist das ölreichste Land Afrikas. Außerdem ist Libyen ein Transitland für Migranten geworden, die aus Schwarzafrika nach Europa wollen. Daher ist es schwer einzuschätzen, welche widerstreitenden Interessen dort aufeinander treffen und ob es in Berlin gelingt, eine Lösung zu finden.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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