Putin kann nach 2024 weiterhin Präsident bleiben – Wie berichtet des russische Fernsehen?

In Russland soll Putin die Möglichkeit bekommen, auch nach 2024 wieder als Präsident anzutreten. Interessant ist, wie das russische Fernsehen darüber berichtet hat.

Ich habe schon über die Verfassungsänderungen berichtet, die in Russland diskutiert werden und die im April dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden sollen. Nun wurde diesem Gesetzespaket eine weitere Änderung hinzugefügt, die Putin auch nach 2024 die Möglichkeit geben würde, im Amt zu bleiben.

In Russland wird nun von politischen Analysten diskutiert, ob Putin sich so quasi einen lebenslangen Machterhalt sichern möchte, oder was seine Motive sind. Es ist nämlich gut möglich, dass dieses Manöver nur eine Finte ist. Wenn schon feststehen würde, dass Putin 2024 sicher aus dem Amt scheidet, wäre Putin das, was man in den USA eine „lame Duck“ nennt: Ein Präsident, den schon niemand mehr ernst nimmt, weil alle schon für die Zeit danach planen. Gerade für Russland wäre es jedoch katastrophal, wenn das Land vier Jahre in einem Schwebezustand wäre, weil alle nur noch auf die Zeit nach 2024 warten.

In Russland, dessen politische Institutionen noch keineswegs gefestigt sind, könnte das im schlimmsten Fall wieder zu Machtkämpfen führen, wie wir sie in den 1990er Jahren erlebt haben, als die Reichtümer des Landes verteilt wurden. Daher wurde es von vielen Menschen sehr positiv aufgenommen, dass Putin diesem Schritt zugestimmt hat. Das zeigen die Umfragewerte, auf die auch das russische Fernsehen eingegangen ist.

Ich persönlich denke immer noch, dass Putin 2024 abtreten wird und dass er – ähnlich wie seinerzeit Jelzin – überraschend einen Nachfolger aus dem Hut zaubern wird, der dann mit dem Amtsbonus in die Wahl geht. So wie es in Deutschland bei Wahlen den „Kanzlerbonus“ gibt, gibt es natürlich auch in Russland einen Amtsbonus bei Wahlen.

Aber das ist nur meine Meinung, vielleicht tritt Putin 2024 ja auch noch einmal an, wir werden sehen.

Da das Thema auch in Deutschland – trotz Coronavirus – Schlagzeilen gemacht hat, werde ich nun den Beitrag übersetzen, den die russische Sendung „Nachrichten der Woche“ am Sonntag zu dem Thema ausgestrahlt hat.

Beginn der Übersetzung:

Der kleine Bastard, der Coronavirus, verändert die Welt radikal. Er legt Flugzeuge still, ganze Länder sperren die Menschen in ihren Häusern ein, Sportwettkämpfe werden abgesagt, Kinos sind leer gefegt, Produktion und Handel brechen auch international zusammen. Wir wissen nicht, zu was die globale Pandemie noch führen wird, aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass der tückische Neuankömmling, der jetzt auf dem ganzen Planeten unter Mikroskop betrachtet wird, nur ein Teil der neuen Realität ist, in der Russland existieren muss. Insgesamt ist die Situation in der Welt durch eine Kombination verschiedener Faktoren schon seit einiger Zeit recht turbulent.

Der russische Präsident Wladimir Putin sieht neue Risiken. Er sprach am 10. März in der Staatsduma während der letzten Plenarsitzung über Änderungen der Verfassung des Landes darüber:

„Wir sehen, wie schwierig die Situation in der Weltpolitik, in der Sicherheitspolitik und in der Weltwirtschaft geworden ist. Jetzt kommt auch noch der Coronavirus zu uns und die Ölpreise tanzen und springen und mit ihnen die Kurse der nationalen Währungen und der Börsen. Aber ich möchte dieses Podium nutzen, um zu sagen: Ich bin mir absolut sicher, dass wir diese Zeit gut überstehen werden. Auch die russische Wirtschaft als Ganzes wird gestärkt und die wichtigsten Industrien werden kräftiger und wettbewerbsfähiger werden. Aber dafür müssen wir arbeiten, müssen wir zusammenarbeiten, uns konsolidieren“, betonte das Staatsoberhaupt.

Mit diesen Worten der Selbstsicherheit und des Vertrauens auf die Fähigkeiten Russlands, ging die Aufforderung zur Zusammenarbeit, zur Vereinigung der gemeinsamen Kräfte einher. Und mittendrin ist Putin. Putin, der noch nicht entschieden hat, ob er die Gelegenheit nutzen wird, 2024 nochmal für das Präsidentenamt zu kandidieren, aber alleine die Möglichkeit sichert das Land bereits ab. Es ist eine Absicherung gegen interne Intrigen, gegen Versuche, Macht- und Verteilungskämpfe in der Erwartung zu beginnen, dass das Staatsoberhaupt sowieso abtreten wird. Das ist nicht unwichtig. Russland kann in einer so unsicheren Situation, bei so großen Risiken, keine Unsicherheit brauchen. Und zwar weil die Welt so unsicher geworden ist und weil das Land selbst sich noch nicht fest genug geformt hat.

„Es wird noch zu viel, wie die Leute sagen, „mit heißer Nadel gestrickt“ und noch ist vieles bei uns sehr verletzlich. Das gilt für die innenpolitische Stabilität, für Fragen des ethnischen und religiösen Zusammenhaltes, für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung“, glaubt der Präsident.

„Mit heißer Nadel gestrickt“ ist harmlos ausgedrückt. Seien wir ehrlich: Russland ist ohne Putin noch nicht lebensfähig. Unser politisches System ist unvollendet und unausgewogen. Leider verfügt es noch nicht über eine verantwortungsbewusste Opposition, die in der Lage ist, bei den Wahlen die Macht zu übernehmen, ohne den Staat zu destabilisieren. Denn was ist eine Opposition? Im Idealfall nichts anderes, als eine politische Reserve. Unsere Gesellschaft hat es noch nicht geschafft, eine solche Reserve zu entwickeln. Und eine verantwortliche Opposition wird sich nicht so bald entwickeln, weil unsere politischen Parteien, egal ob rechts oder links, noch in den Kinderschuhen stecken. Wahrscheinlich wird das noch Zeit brauchen. Wir hätten es gerne schneller, aber schneller geht es in dem riesigen Russland mit einer so komplexen Geschichte nicht. Die Risiken sind zu groß.

Auf jeden Fall gibt uns das jetzt eine Zeitreserve, um stabilere politische Institutionen im Land zu bilden, seien es Parteien, ein Parlament mit erweiterten Befugnissen oder eine Regierung in einem neuen Verantwortungssystem.

Auch für Kräfte im Ausland ist es wichtig zu wissen, dass Putins Linie der Souveränität des Landes und einer multipolaren Welt unverändert bleiben wird. Denn dort, denke ich, wurden bereits Pläne für die Zeit danach geschmiedet. Russland bleibt also als Teil der internationalen Gemeinschaft und auch nach Innen stabil. Ein scheidender Präsidenten könnte das unmöglich garantieren. Putin versteht das sehr gut.

„Schließlich ist der Präsident der Garant der Verfassung, um es einfach auszudrücken, ist er der Garant für die Sicherheit unseres Staates, seine innere Stabilität und seine innere, evolutionäre Entwicklung. Wichtig ist eine evolutionäre Entwicklung, wir hatten schon genug Revolutionen, Russland hat seinen „Plan an Revolutionen“ erfüllt“, sagte das Staatsoberhaupt.

Deshalb hat die erste Frau im All, Valentina Tereschkowa, die wichtige Verfassungsänderung vorgeschlagen: „Alle Optionen für mögliche Veränderungen, die jetzt in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit und – wie man sagt – am Küchentisch diskutiert werden, drehen sich um Wladimir Putin, da müssen wir nicht drum herumreden, das ist offensichtlich. Die Menschen sind besorgt, sogar sehr besorgt darüber, was nach 2024 passieren wird, und ich verstehe, warum. Das Wichtigste ist, dass es möglich ist, wenn die Menschen es wollen, dass der amtierende Präsident nach der aktualisierten Verfassung wiedergewählt werden kann. Wir nehmen hier nichts vorweg, niemand weiß, was 2024 sein wird, wie die Situation sein wird, ob diese Möglichkeit benötigt wird. Außerdem weiß ich nicht, ob Wladimir Putin selbst bereit sein wird, noch einmal anzutreten.“, sagte Tereschkowa.

Putin stimmte der Idee zu, wenn auch mit einem wichtigen Vorbehalt: „Diese Option wäre möglich, aber unter einer Bedingung: Wenn das Verfassungsgericht der Russischen Föderation offiziell beschließt, dass eine solche Änderung nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen und grundlegenden Bestimmungen der Verfassung steht.“

Infolgedessen wurde Valentina Tereschkovas Idee in das Paket der Verfassungsänderungen aufgenommen. Wenn die Änderungsanträge am 22. April vom Volk angenommen werden, wird Putin die Möglichkeit haben, 2024 anzutreten. Diese Wende wirkte sich sofort auf die Ergebnisse der Meinungsumfragen aus. Am 6. März wollten 42 Prozent für die Verfassungsänderungen stimmen, nach dieser Rede waren es am 11. März laut VTSIOM bereits 64 Prozent. Ein Anstieg um ein Drittel.

Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Da gab es doch eine „hefige “ Diskussion bei den hiesigen Kommentatoren über den „Titel“ des Verfassers von „Anti-Spiegel“ im letzten Beitrag in Verbindung dessen, dass der Verfasser die Handlungsweise Putins als „Coup“ bezeichnete…

    Betrachtet man nunmehr diesen hier als Fortsetzung, so passt der Begriff „Coup“ mehr als nur gut …

    Zur nun wahrscheinlich vorhandenen Möglichkeit der Neuwahl ( Wiederwahl darf man dann ja nicht mehr sagen, wenn die „alten “ Präsidentschaften von 20 Jahren „gestrichen“ werden … ( 2 mal Grins) :
    Meine eigene Erfahrung aus Voicedonbass https://www.facebook.com/Voicedonbass-707180039367921/

    Klar, eine so kleine Seite mit rund 4000 Abonnenten kann natürlich nicht repräsentativ eine „Meinung“ darstellen“. Doch die Zielgruppe „Friedensaktivisten“zeigten sich in der Regel mehr als nur erleichtert, über diesen Coup des Präsidenten. Und tatsächlich nur ein einziger ärgerte sich so über diesen Weg, wie Putin es schafft… dass er sein Like zurückzog und so mal keine Meldungen mehr erhält von der Seite. Einer mehr, der es aufgibt…(Grins)

    Gepostet von Frank Ingo Gottschlich · 10. März um 17:48 ·
    Eine Menge an Europäer, wird wieder lächelnd ruhig schlafen können. Dies auch in Erwartung des sich anbahnenden Shitstorm gegen die Person Wladimir Wladimirowitsch Putin durch die Qualitätsmedien.

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  2. Nun, wenn RF den CV19 heil und unbeschadet übersteht, dann wird er wohl auf Lebenszeit herhalten müssen, der arme Putin…und ein Mausoleum wirds für Putin nicht geben, der wird ewig regieren müssen… *grins*

    Dies große Land wieder stabil aufzubauen, dazu gehört schon was. Vor allem Weitsicht und man muss sein anvertrautes Volk lieben.

    Diktaturen sind da eher bestrebt, dem ihm anvertrautem Volke, ständig Fehlverhalten nachzuweisen

  3. Das alles sind natürlich Aspekte, an die ich noch gar nicht gedacht habe. Aber die sind natürlich nicht von der Hand zu weisen, denn zweifellos versucht die westliche „Wertegemeinschaft“, Russland zu destabilisieren, während man genau dies Russland vorwirft, mit dem Westen machen zu wollen. Beim Staatssender DLF wurde „die Opposition“ mit den Worten zitiert, das wäre ein Staatsstreich. Das ist natürlich Blödsinn, denn „die Opposition“ könnte ja alles moblisieren, damit die Verfassungsänderung bei der Volksabstimmung durchfällt oder selber 2024 einen Kandidaten aufstellen!

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