„Kulturelles AIDS“ – Das russische Fernsehen über den Kampf gegen Denkmäler im Westen
Die Bilderstürmer greifen im Westen weiter um sich. Was Menschen im Westen irgendwie verständlich sein mag, ist für Russen völlig irrsinnig. Das russische Fernsehen hat dem am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ wieder einen langen Kommentar gewidmet, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Trends im Westen: Der Krieg gegen Denkmäler und die Jagd auf weiße Frauen
In Schweden, diesem bis vor kurzem ruhigen skandinavischen Land, wird es jetzt für den Norden untypisch heiß. Heiß in der Kultur. Bei „Nachrichten der Woche“ haben wir letzte Woche gesagt, dass auf die Sockel der abgerissenen Denkmälern wieder irgendjemand gestellt werden muss. Der Austausch historischer Helden gegen neue, bedeutet immer eine radikale, kulturelle Umprogrammierung. So geschehen in der Ukraine, wo statt Lenin – dem tatsächlichen Schöpfer der Ukraine in ihren modernen Grenzen – nun der Nazi-Verbrecher Bandera auf den Sockeln thront.
Umprogrammierung bedeutet nicht immer Fortschritt, nicht immer den Aufstieg auf der Leiter der Zivilisation. Es kommt vor, dass die Barbarei über die aufgeklärte Welt siegt. So war es in der Ukraine, so war es im Römischen Reich. Es gibt viele Beispiele. Dasselbe scheint im Westen gerade jetzt zu geschehen.
So schlug in Schweden der Ex-Bürgermeister von Umea, Jan Bieringe, vor, das Denkmal für den „Despoten“ König Karl XII aus dem Zentrum Stockholms zu entfernen und stattdessen „die Retterin der Natur“ Greta Thunberg in Bronze zu verewigen.
Während über die Statue für Greta Thunberg noch diskutiert wird, ist in Schweden ein Denkmal für Carl Linnaeus, den herausragenden Wissenschaftler und Autor des 18. Jahrhunderts, der die Ordnung der Natur in Mineralien, Pflanzen und Tiere geschaffen hat, bedroht. Unter anderem entwickelte Carl Linnaeus das Prinzip der doppelten Bezeichnungen im Lateinischen: zuerst die Gattung, dann die Art. Homo Sapiens ist zum Beispiel der vernunftbegabte Mensch. Jede Art hat einen von Wissenschaftlern beschriebenen Lektotyp.
Doch heute werden Unterschriften für eine Petition gesammelt, die Carl Linnaeus vorwirft, dass seine Prinzipien, alle Lebewesen zu klassifizieren, „zur Vorstellung der Europäer als höhere Rasse beigetragen haben“. Linnaeus hat zwar das Konzept der „Rasse“ gar nicht verwendet und keine Schädel studiert, aber er glaubte doch, dass die Vertreter des Homo Sapiens nicht heterogen waren. Und als Linnaeus dessen Varianten auflistete, landeten die Afrikaner ganz unten auf der Liste. Das könnte sich für das majestätische Denkmal für Carl Linnaeus im zentralen Humlegorden-Park in Stockholm als fatal erweisen. Die kulturelle Umprogrammierung bedroht den Homo Sapiens selbst, zumindest symbolisch. Das wirkt wie ein Angriff des Unvernünftigen gegen die Vernunft.
In Gefahr ist in Schweden auch ein Denkmal für den niederländischen Unternehmer des 17. Jahrhunderts, Luis de Geer, das auf dem alten Norcheping-Platz errichtet wurde. Geschaffen hat das Denkmal der berühmteste Bildhauer Schwedens, Karl Milles. Es war Luis de Geer, der in Schweden den ersten Hochofen für die Verhüttung von Gusseisen baute und seine Dienste für das Königreich insgesamt sind so groß, dass de Geer „der Vater der schwedischen Industrie“ genannt wird. Das Negative in seiner Biografie war die von ihm gegründete schwedisch-afrikanische Firma, die nicht nur Elfenbein und Gold aus Afrika brachte, sondern auch Geld im Sklavenhandel verdiente. Ja, wie eigentlich auch alle anderen Geschäftsleute in dieser Zeit. Und der Reichtum und der Luxus der Hauptstädte Frankreichs, Spaniens, Portugals, Großbritanniens, der Niederlande ist das Ergebnis dessen, was sie den Kolonien, den lokalen Sklaven, ausgesaugt haben.
Wenn jemand in der Vergangenheit Menschen von heute finden will – mit Gadgets, Besucher von Fitness-Clubs, Feministinnen, Transgender- und LGBT-Menschen bei Schwulenparaden -, dann wird das nicht funktionieren. Das Leben damals war anders, in Übereinstimmung mit den Stadien der Entwicklung. Jede Ära hat ihre Helden. Sie zu bekämpfen bedeutet, im übertragenen Sinne, die eigene kulturelle Basis aufzugeben, sich eine Schlinge auf den Hals zu werfen und den Hocker unter sich wegzutreten. Es ist viel leichter, die Vergangenheit aufzugeben, als sie zu erklären und mit der Gegenwart zu verbinden.
Aber was sehen wir? Statt Erklärungen, statt friedlicher Reflexion und Gegenüberstellung – nur dumpfe Demontage. In Amerika ist der Prozess am weitesten fortgeschritten. Bis zur Absurdität übertrieben.
Hier sehen wir eine große Wanne an dem Ort in Minneapolis, an dem der Wiederholungstäter George Floyd von der Polizei erwürgt wurde. Hier finden entweder Taufen oder Reinigungsriten statt, unter unhygienischen Bedingungen in Zeiten der Pandemie. Jeder kann mitmachen. Und viele wollen es. (Anm. d. Übers.: In dem Beitrag wird das an dieser Stelle gezeigt, die Menschen lassen sich in die Wanne tauchen und die dicht gedrängte Menge schreit „Halleluja!“. Ich weiß, nicht ob diese Bilder in Deutschland gezeigt wurden, aber es ist eine in meinen Augen surreale Sache, die da abläuft)
Es wäre effektvoller, noch schwarze Tinte ins Wasser zu geben. Das Ergebnis wäre sichtbarer, denn „Black is beutifull“. Aber das Spektakel funktioniert auch so. Im Ernst, die Atmosphäre in den Vereinigten Staaten ist derzeit so, dass Weiße ohne einen öffentlichen Akt der Reue dafür, dass sie weiß sind, keine Lebensperspektiven haben. Entweder muss man als Zeichen der eigenen Schuld und der Zustimmung zum Amoklauf der „friedlichen Gewalt“ auf die Knie gehen, oder in sozialen Netzwerken die eigene Unterstützung des Ganzen verkünden, oder man muss dem gleich anschließen. Kurz gesagt, jeder ist verpflichtet, sich einer Art Reinigungsritual zu unterziehen. Bis zu einem gewissen Grad ähnelt das den Säuberungen der Partei in den orthodoxesten Sowjetzeiten. Damals wurde in schriftlichen Beurteilungen der Mitglieder der Kommunistischen Partei sogar die Zahl „Säuberungen“ festgehalten, die das Mitglied überstanden hatte. Und je mehr Säuberungen ein Parteimitglied überstanden hatte, desto wertvoller war es. Wenn man nicht bereit sind, sich selbst zu reinigen, helfen einem die Black Lives Matter Aktivisten.
Hier sehen wir einen Mann, der im Namen von Black Lives Matter durch die Straßen läuft und nach weißen Frauen jagt. Sein Ziel ist es, dass sie vor ihm niederknien und sich für ihre Hautfarbe entschuldigen. Wie Sie sehen können, hat die Frau so viel Angst, dass sie tut, was er verlangt.
Unterdessen fallen in den Vereinigten Staaten immer mehr Denkmäler für den Entdecker Amerikas. Kolumbus wurde in San Francisco abgebaut. Dasselbe geschah in Detroit. Und Aktivisten greifen bereits das Denkmal für Abraham Lincoln in Boston an. Ihnen gefällt nicht, dass der Präsident, der Befreier der Sklaven, über dem dankbaren Neger steht, der mit zerrissenen Ketten in den Händen zu seinen Füßen sitzt. Das Denkmal ist eine Nachbildung des Emancipation Memorial in Washington. Das ist immer noch da. Aber in Boston ist der Bürgermeister der Stadt bereits für den Abriss von Lincoln. (Anm. d. Übers.: Das „N-Wort wird in Russland noch benutzt, ich habe dazu am Ende des Artikel ein paar Worte geschrieben, damit Sie das einordnen können)
So räumen die Vereinigten Staaten kulturell mit ihrer Vergangenheit auf. Alte Filme über Indianer sind seit langem verboten. Neue werden nicht gedreht, es ist verboten. Kolumbus wird aus der Vergangenheit gelöscht. Statuen der Konföderierten werden bald verschwunden sein. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat sogar die sofortige Entfernung von Porträts ihrer Vorgänger aus dem Kapitol angeordnet.
Man fragt sich, wer diese Staatsmänner waren. Nehmen wir nur zwei Beispiele. Robert Hunter aus Virginia, Sprecher des Repräsentantenhauses von 1839 bis 1841, zwanzig Jahre vor der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Ja, 20 Jahre später wurde er Außenminister der Konföderierten Staaten von Amerika. So ist die Geschichte. Aber auf Geheiß von Nancy Pelosi gibt es diesen Sprecher des US-Repräsentantenhauses in der Capitol Portrait Gallery nicht mehr.
Ein anderer, der ebenfalls entfernt wurde, ist Howell Cobb. Ein Veteran des amerikanischen Parlamentarismus. Er wurde fünfmal in das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten gewählt und er war von 1849 bis 1851 Sprecher des Repräsentantenhauses. Später schloss sich Howell Cobb jedoch den Konföderierten an. Also wird auch Howell Cobb aus dem Gedächtnis gelöscht! In der Reihe der Porträts ist kein Platz für ihn!
Die Geschichte scheint in den USA regelrecht lebendig zu werden und der Bürgerkrieg scheint wieder aufzuflammen. So stürzte in Washington ein anderer General der konföderierten Armee, Albert Pike, von seinem Sockel. Bemerkenswert ist, dass das Denkmal in der Nähe eines Polizeipräsidiums stand. Die Statue des Generals wurde danach auch noch in Brand gesteckt, aber die Polizei hatte es nicht eilig, zu kommen. Als das sie eintraf, löschte sie nur das Feuer, aber gegen die Vandalen wurde sie nicht aktiv. Trump war wütend, wütete aber nur auf Twitter: „Die Washingtoner Polizei macht ihre Arbeit nicht, sie schaute zu, wie die Statue abgerissen und angezündet wurde. Diese Leute sollten sofort festgenommen werden. Das ist eine Schande für unser Land!“
Die Polizei hat nicht eingegriffen? Aber warum sollte sie eingreifen, wenn sie sich betrogen fühlt? Im Namen von wem und was sollte sie jetzt Risiken eingehen? Es ist viel sicherer, niederzuknien. Oder die Füße von schwarzen Aktivisten zu waschen.
Angesichts der Untätigkeit der Polizei nehmen sich die Bilderstürmer nun auch die Gründerväter der Vereinigten Staaten vor. So warfen Demonstranten in Portland, Oregon, eine amerikanische Flagge auf den Kopf des ersten US-Präsidenten, George Washington, setzten sie dann in Brand, demolierten dann die Bronzefigur selbst und übergossen sie danach mit roter Farbe. Die Krönung der Aktion war die verschmierte Zahl „1619“ – das Jahr der Ankunft der ersten Sklaven in den Vereinigten Staaten. Vorher schon wurden – wieder in Portland – das Denkmal für die ersten Siedler und für den dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Thomas Jefferson, der übrigens der Autor der Unabhängigkeitserklärung war, abgerissen.
Alle Akte des Vandalismus kann man nicht aufzählen, aber es ist klar, dass in der Vergangenheit alle Weißen schlecht waren. Zumindest bleiben immer weniger gute übrig. Die Kontrolle haben Zerstörer übernommen, die keine Lust haben, etwas zu erschaffen. Wenn die ganze Geschichte bis zum heutigen Tage von Schlechtem gesäubert wird, worauf basiert dann die heutige Gesellschaft und auf welcher Grundlage will man Kinder erziehen? Was will man ihnen erklären? Wie schlimm die Dinge früher waren? Aber wie sind wir dann heute so gut geworden?
Das Gesicht des Protests ist der in Seattle lebende Rapper der „Autonomen Zone“ Raz Simon. Er war es, der die sogenannten „Streitkräfte“ der Zone angeführt hat. Er trägt eine AK-47 über der Schulter. Nach Tschechows Gesetzen der Dramaturgie lehnt das Gewehr im ersten Akt an einer Mauer und im dritten Akte wird geschossen. Aber hier ist es nicht einmal ein Gewehr, es ist eine Kalaschnikow. Und sie lehnt nicht an der Mauer, sondern er hält sie in seinen Händen. Wann wird er schießen? Und was ist die Antwort? In den USA gibt es immerhin 120 Gewehre auf hundert Menschen, sie sind die Weltmeister bei der Zahl der Kleinwaffen pro Kopf. Was bedeutet ein Aufstand unter diesen Bedingungen?
Und wenn die unvermeidbare konservative Gegenbewegung gegen die Zerstörung der Geschichte und des Landes selbst entsteht, wie wird sich die Konfrontation dann entwickeln? Inzwischen erleben wir eine Art kulturelles AIDS, ein erworbenes Immundefizitsyndrom. Es gibt weder Immunität gegen die Zerstörung der Vergangenheit, noch gibt es Immunität gegen die Umprogrammierung – die historische, kulturelle und religiöse. Jahrzehnte hedonistischer Hemmungslosigkeit, ein Kult des Komforts und das falsche Gefühl der Überlegenheit haben Amerika kulturelles AIDS gebracht, wenn es keine Immunität gegen Pogrome gibt.
In der Zwischenzeit zerfällt die amerikanische Armee von innen heraus. Nicht nur, dass Verteidigungsminister Mark Esper öffentlich seine Meinungsverschiedenheit mit Trump über den Einsatz der Armee zur Rettung des Landes vor verheerenden Unruhen demonstriert hat, ein Dutzend Militärstützpunkte werden gegen den Widerstand von Präsident Trump umbenannt. Und Trump bleibt nur noch Twitter.
„Jemand hat vorgeschlagen, dass wir mindestens 10 unserer legendären Militärstützpunkte umbenennen sollten, wie Fort Bragg in North Carolina, Fort Hood in Texas, Fort Benning in Georgia und so weiter. Diese monumentalen und sehr mächtigen Basen sind Teil des großen amerikanischen Erbes, der historischen Siege und des Sieges der Freiheit geworden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben unsere Helden an diesen heiligen Stätten ausgebildet und untergebracht und zwei Weltkriege gewonnen“, erklärte Trump auf Twitter.
Naja, das mit ihren Siegen ist wie immer. Jedenfalls gibt es für die Namen der konföderierten Generäle nun keinen Platz mehr. Diese Namen klingen jetzt schlimmer, als wüste Beschimpfungen. Die Beratungen über die Umbenennungen haben bereits begonnen. Übrigens unterstützt laut Umfragen die Mehrheit der Amerikaner – 56 Prozent – die Umbenennung von Militärstützpunkten nicht. Aber im gegenwärtigen Klima ist die Stimme der aggressiven Minderheit lauter und damit einflussreicher.
Übrigens, in Großbritannien ist es fast das gleiche. Dort sind sie bereits beim Denkmal von Mahatma Gandhi angekommen und fordern, es zu stürzen, weil Gandhi ein „rassistischer“ und aus irgendeinem Grund „sexueller Räuber“ war, obwohl bekannt ist, dass Gandhi schon in seiner Jugend ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat.
Ende der Übersetzung
Hier noch die versprochene Anmerkung zum „N-Wort“: In Russland wird das „N-Wort“ – neben politisch korrekten Bezeichnungen – noch benutzt und es gilt nicht als abwertend. Es wird klar unterschieden zwischen „Neger“, was nicht abwertend benutzt wird und „Nigger“, was man in Russland zwar kennt, was aber nicht benutzt wird.
Als Übersetzer habe ich den Text so übersetzt, wie er geschrieben wurde. Die Sprachverbote der Political Correctness gibt es in Russland nicht.
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