Interview über Giftgas in Syrien zeigt, mit welchen Mitteln die öffentliche Meinung beeinflusst wird

Am 8. April wurde der OPCW-Bericht über Vorfälle mit Giftgas in Syrien präsentiert. Die deutschen Medien haben ausführlich darüber berichtet. Der O-Ton war, dass nun Assads Schuld erwiesen sei. Dabei steht das gar nicht in dem Bericht, wie wir sehen werden.

Das OPCW soll eigentlich nur überwachen, ob sich die Unterzeichnerstaaten der Chemiewaffenkonvention auch daran halten. Aber auf Druck der USA und mit Hilfe der Stimmen ihrer westlichen Satellitenstaaten wurde die OPCW zu einer Art Ermittlungsbehörde gemacht, die Vorfälle mit Chemiewaffen untersuchen soll. Diese Aufgabe ist eigentlich dem Sicherheitsrat der UNO vorbehalten.

Nachdem die USA diese Änderung des Aufgabenbereiches der OPCW durchgesetzt haben, wurden Kommissionen gebildet, die Vorfälle mit Chemiewaffen Syrien untersuchen sollen. Natürlich gehören den Kommissionen praktisch ausschließlich Mitglieder an, die aus westlichen Ländern kommen und anstatt die Vorfälle vor Ort zu untersuchen, werden Aussagen von vom Westen finanzierten NGOs herangezogen. Welches Ergebnis man erwarten kann, wenn der Westen eine Kommission einsetzt, sie mit westlichen Spezialisten besetzt und ausschließlich vom Westen finanzierte, pro-westliche NGOs befragt und sich zusätzlich auf nicht näher bezeichnete Geheimdienstinformationen beruft, ist vorhersehbar.

Genau so ist der aktuelle OPCW-Bericht zu Stande gekommen, wie man in dem Bericht selbst lesen kann. Außerdem kommt der Bericht gar nicht zu dem Schluss, Assad habe Chemiewaffen eingesetzt. Stattdessen ist auf Seite 58 des Berichts in der Zusammenfassung zu lesen, es gebe

„vernünftige Gründe zu der Annahme zu glauben, dass die Syrische Arabische Republik chemische Waffen eingesetzt hat.“

Das ist ausgesprochen vage ausgedrückt und ganz sicher nicht die Aussage, Assad habe erwiesenermaßen Chemiewaffen eingesetzt. Wenn selbst eine vom Westen eingesetzte und mit westlichen Experten bestückte Kommission, die sich auf westliche Geheimdienstinformationen und vom Westen finanzierte NGOs beruft, nichts handfesteres herausfinden kann, als „vernünftige Gründe zu der Annahme zu glauben“ und so weiter dann sollte einem das zu denken geben.

Hinzu kommt, dass es mittlerweile vier Whistleblower gibt, die der OPCW vorwerfen, ihre Berichte zu manipulieren, damit sie die westlichen Vorwürfe bestätigen. Aber da die „Qualitätsmedien“ ihren Lesern diese Information konsequent verschweigen, können sie die Legende von der erwiesenen Schuld Assads verbreiten.

Aber an dem Beispiel kann man schön sehen, wie die westlichen Medien arbeiten. Sie nehmen den OPCW-Bericht, verschweigen ihren Lesern die Vorwürfe der Whistleblower und stellen den Bericht als Beweis für Assads Schuld dar, obwohl das gar nicht in dem Bericht steht. Und danach kommen dann vom Westen finanzierte Organisationen ins Spiel, die als „neutrale Ermittler“ dargestellt werden und die bestätigen dann diese Legende. Auf diese Weise entsteht beim Leser der Eindruck, dass ganz viele Organisationen die Meinung teilen, was das verbreitete Narrativ glaubwürdig machen soll. Dass all diese Organisationen am Ende aus einer Hand finanziert und gesteuert werden, wird dem Leser dabei verschwiegen.

Diese Show fand gestern eine Fortsetzung. In der „Zeit“ erschien ein Interview mit Eliot Higgins, Gründer der sogenannten „Rechercheplattform“ Bellingcat. Bellingcat ist ein wird aus den USA finanziert und liefert immer dann „Belege“, wenn es keine gibt, sie aber für die Stützung des westlichen Narrativs gebraucht werden. Bellingcat weiß alles über MH-17, über Giftgas in Syrien und über die Vergiftung der Skripals, um nur einige Beispiele zu nennen. Und dabei wird Bellingcat von den Behörden mit Informationen versorgt und bekommt seine Information auch von Bloggern, die wiederum vom Westen großzügig finanziert werden.

In der „Zeit“ darf Higgins, der als Experte dargestellt wird, dann sagen:

„Der Bericht belegt eindeutig, dass das Assad-Regime Giftgas eingesetzt hat. Damit widerlegt er klar die vielen Verschwörungstheorien, die von Seiten des Regimes und von Russland gestreut werden und wonach die Giftgasangriffe false flags seien, inszenierte Angriffe, die Assad schädigen sollen.“

Wir haben das Fazit des OPCW-Berichts gesehen. Belegt das irgendetwas eindeutig? Der Bericht behauptet das, was Higgins sagt, gar nicht. Die „Zeit“ muss sich noch nicht einmal die Hände schmutzig machen und diese Lüge selbst formulieren. Dafür gibt es ja Eliot Higgins. Die „Zeit“ kann immer sagen, sie habe das nie behauptet, sie hat nur die Meinung eines anderen veröffentlicht. Und da die „Zeit“ ihren Lesern nie etwas von Whistleblowern beim OPCW und all den anderen fragwürdigen Umständen berichtet hat, wirkt die Aussage von Higgins für den Leser stimmig.

Die „Zeit“ arbeitet in dem Interview als Stichwortgeber für Higgins, wie man an diesem Beispiel sehen kann:

„ZEIT ONLINE: Dem Bericht zufolge werden 98 Prozent der Giftgasangriffe dem Assad-Regime angelastet, der Rest der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Haben Sie Belege dafür, dass auch der IS Chemiewaffen eingesetzt hat?
Higgins: Der IS hat Senfgas verwendet. Diese Angriffe wurden dokumentiert und sind Teil von laufenden OPCW-Untersuchungen. Meiner Meinung nach hat der IS definitiv chemische Waffen eingesetzt. Aber trotz der Anschuldigungen des syrischen Regimes und anderer gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass auch die anderen bewaffneten Oppositionsgruppen chemische Waffen eingesetzt haben.“

Es gibt also keine „eindeutigen Hinweise dafür, dass auch andere bewaffnete Oppositionsgruppen chemische Waffen eingesetzt haben„? Das behauptet der „Experte“ Higgins und er lügt. Schon 2013 hat die UNO syrischen Rebellen den Einsatz von Giftgas vorgeworfen. Und dabei ging es nicht Chlorgas, das recht einfach zu bekommen ist, nein, es ging um Sarin. Woher hatten die Rebellen das Zeug eigentlich? Darauf gibt es bis heute keine Antwort.

Nun kommen wir zu meinem Vorwurf, der OPCW-Bericht würde sich nur auf vom Westen finanzierte und gelenkte NGOs stützen:

„ZEIT ONLINE: Worauf stützt die OPCW ihre Untersuchungen?
Higgins: Die Ermittlerteams recherchieren an den Angriffsorten; wenn sie das nicht können, erhalten sie viele Informationen von den Weißhelmen, dem syrischen Zivilschutz. Die Weißhelme sammeln Beweise, etwa Teile von Bomben, die am Boden liegen; sie dokumentieren auch die Beweissicherung. Dies erfolgt unter strengen Auflagen, damit die OPCW-Inspekteure garantieren können, dass nichts verfälscht wurde. Die Weißhelme interviewen auch Augenzeugen und sprechen mit Patienten, die nach einem Angriff etwa in der Türkei behandelt werden.“

Die Antwort von Higgins muss man sezieren, denn sie enthält weit mehr Informationen, als man aus den wenigen Worten vermuten würde.

Higgins sagt, dass die Ermittler an den Tatorten recherchieren, nur wenn das nicht geht, stützen sie sich auf andere Quellen. Für den aktuellen Bericht haben die Ermittler die Tatorte nicht besucht, weil sie heute unter der Kontrolle der syrischen Regierung sind. Die hat die Teams zwar eingeladen, sich vor Ort umzuschauen, aber das wollten sie nicht. Daher kommen die Informationen in dem Bericht nicht Recherchen vor Ort, sondern von den Weißhelmen, wie Higgins selbst zugibt.

Die Weißhelme werden, das ist unbestritten und darauf sind die westlichen Regierungen auch stolz, vom Westen finanziert. Sie haben vom Westen dreistellige Millionenbeträge erhalten. Sie sind also ganz sicher nicht neutral. Hinzu kommt, dass es reichlich Vorwürfe gibt, die Weißhelme selbst seien für Giftgasvorfälle verantwortlich. Sogar ein Redakteur der BBC hat das nach seinen Recherchen mitgeteilt. Das OPCW beruft sich in seinen Ermittlungen also auf eine Organisation, die nicht nur nicht neutral ist, sondern auch noch selbst im Verdacht steht, für Giftgasangriffe verantwortlich zu sein. Wie vertrauenswürdig ist eine solche Quelle?

Aber am besten ist der letzte Satz: „Die Weißhelme interviewen auch Augenzeugen und sprechen mit Patienten, die nach einem Angriff etwa in der Türkei behandelt werden.

Man kann vielleicht noch verstehen, dass die OPCW-Ermittler nicht nach Syrien fahren wollen. Aber warum müssen die Weißhelme Patienten befragen, die in der Türkei behandelt werden und nach welchen Kriterien haben die Weißhelme sich die Gesprächspartner ausgesucht? Warum konnten die OPCW-Ermittler nicht selbst in die Türkei fahren und die Patienten befragen? Man weiß nicht einmal, ob sich die Weißhelme die Zeugen und ihre Aussagen selbst ausgedacht haben, man muss ihnen blind vertrauen.

Die Weißhelme arbeiten eng mit dem IS zusammen. Wo der IS herrscht, da sind die Weißhelme aktiv. Das ist wichtig, um die nächste Aussage von Higgins zu verstehen:

„Nach dem Angriff in Chan Scheichun hat die OPCW in dem Ort Menschen interviewt und deren Aussagen waren sehr stimmig. Als die OPCW in Damaskus, also einer Gegend unter Kontrolle des Regimes, Menschen zu den gleichen Angriffen befragte, hörte sie teils Berichte, die der Beweislage komplett widersprachen. Da liegt die Vermutung nahe, dass das Regime sie unter Druck gesetzt hatte oder sie Angst hatten, die Wahrheit zu sagen.“

Die OPCW hat Menschen in einem Gebiet befragt, das unter Kontrolle des IS stand. Als in Damaskus Zeugen befragt wurden, zweifelte man deren Aussagen an, weil sie vielleicht von Assad unter Druck gesetzt wurden. Frage: Ist der IS über den Verdacht erhaben, Zeugen in Gebieten, die er kontrolliert, unter Druck zu setzen?

Man kann ja aus den genannten Gründen an Aussagen von Zeugen in Damaskus zweifeln, aber aus den gleichen Gründen muss man auch die Aussagen der anderen Zeugen bezweifeln. Wer jedoch nach eigenem Gusto entscheidet, welche Zeugen glaubwürdig sind und welche nicht, der ist nicht sicher kein neutraler Ermittler.

Überhaupt: Was sind Zeugenaussagen in so einem Fall wert? Wichtiger wäre doch, Spuren der Giftstoffe zu finden oder die Opfer zu obduzieren, um neutrale und belastbare Informationen zu bekommen. Bei einem Mordprozess wird ja auch die Leiche obduziert, um Gewissheit zu haben und es werden nicht nur die Nachbarn des Opfers befragt.

Nachdem Higgins in dem Interview über lange Passagen erzählt hat, dass der OPCW-Bericht auf Zeugenaussagen basiert (die die Ermittler teilweise noch nicht einmal selbst interviewt haben), gibt Higgins zum Ende des Interviews zu, dass Zeugen gar keine verlässliche Quelle sind:

„Zeugenberichte können manchmal irreführend sein, nicht weil die Personen ein politisches Interesse verfolgen, sondern weil sie sich an Tatsachen anders erinnern, als sie waren. Auch Videos können täuschen, weil sie nur bestimmte Ausschnitte zeigen und andere auslassen.“

Wir haben also einen OPCW-Bericht, der unter dubiosen Umständen entstanden ist, sich nur auf ausgewählte, pro-westliche Quellen stützt, aber nicht auf Untersuchungen vor Ort. Um diese Farce glaubwürdig zu machen, werden dann Leute wie Higgins interviewt, die angeblich neutrale und kritische Experten sind, aber in Wirklichkeit auf der Gehaltsliste des Westens stehen. Und diese Experten berufen sich dann wiederum auf vom Westen finanzierte Organisationen wie die Weißhelme. Wir haben ein großes Netzwerk von Personen und Organisationen, die alle vom Westen finanziert und gelenkt werden, die ihre Thesen gegenseitig bestätigen. Da der Leser davon aber nichts weiß, entsteht der Eindruck, es wären ganz viele, unabhängige Organisationen, was deren Aussagen dann glaubwürdig macht.

Das ist per Definition Propaganda.

Es steht dem Westen frei, Propaganda zu betreiben, das tun wohl alle internationalen Player. Aber es ist vielsagend, dass die angeblich kritischen „Qualitätsmedien“ das Spiel mitspielen.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. In diesen ganzen Schwachsinn passt die Meldung von heute, dass „wegen Verbrechen in Syrien“ Anklage in Deutschland gegen zwei „Gefängniswärter“ wie ich sie jetzt mal nenne, erhoben wurde. Es mag durchaus sein, dass die Vorwürfe stimmen, aber dann gehören auch all die westlichen Politiker auf die Anklagebank, die für den Krieg in Syrien mit hunderttausenden Toten verantwortlich sind!
    Da der Krieg gegen Assad militärisch verloren ist, versucht man jetzt mit solchen hinterhältigen Propagandamethoden, den Krieg vielleicht diplomatisch zu gewinnen! Und wieder werden dies tausende Menschen mit dem Leben bezahlen! Ein widerliches Pack, diese westliche Politikerkaste und ihre Schreiberlinge!

  2. Ich verfolge dieses erbärmliche Drama seit 2012, es ist unglaublich wie gut Propaganda und Gehirnwäsche heutzutage funktioniert. Die Zahl der Lügen und Manipulationen des herrschenden Systems ist Legion, trotzdem wird der herbeigelogene Mist geglaubt. Ich kann nur hoffen das die kritische Masse der alternativen Medien möglichst bald die Menschen zum aufwachen bringt und genügend Juristen den Mut haben die Verbrecher für ihre Taten zu richten.
    Danke Herr Röper für Ihre unermüdliche Arbeit, es lohnt sich in jedem Fall!

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