Die Sicht der Anderen: Das russische Fernsehen über Ultimaten der USA und den INF-Vertrag

Im wöchentlichen russischen Nachrichtenüberblick ging es am Sonntag unter anderem um die Ultimaten, die die USA in der vergangenen Woche gestellt haben. Ich habe den Beitrag übersetzt.
 
Beginn der Übersetzung:
 
Die vergangene Woche sollte für Russland sehr besorgniserregend werden. Zumindest war dies das Ziel in Washington. Amerika ist bereits in die Sprache der Ultimaten verfallen. Es wurden gleich zwei gestellt. Zunächst heißt es, es sei notwendig, die inhaftierten ukrainischen Matrosen sofort freizulassen und die Schiffe zurückzugeben. Andernfalls, so ein hochrangiger Beamter des Außenministeriums, erwarte Russland ein „wachsender Schmerz“, und was die Russen anbelangt, so sollte ihnen absolut klar sein, dass – solange sie die Besatzungsmitglieder festhalten – die Konsequenzen weiter verschärft werden. Sie müssen die Besatzungen freigeben, die Schiffe zurückgeben, die USA würden die Augen davor nicht verschließen. Dieses Ultimatum wurde am 5. Dezember gestellt. Es ist klar, dass wir dadurch nicht zusammengezuckt sind und die Ukrainer sind auf Entscheidung des Gerichts in Haft, während die Boote an der Kaimauer des Hafen von Kertsch vor sich hin rosten.
 
Das nächste Ultimatum kam am 6.12. aus dem Munde von US-Außenminister Mike Pompeo. Und zum ersten Mal wurden Fristen gesetzt. Hierbei ging es sich um den Vertrag über Kurz- Mittelstreckenraketen, INF.
 
„Wenn Russland nicht innerhalb von sechzig Tagen den Vertrag erfüllt, werden die Vereinigten Staaten aus ihm aussteigen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden wir keine Raketensysteme entwickeln, produzieren oder stationieren, die durch das Dokument verboten sind“ erklärte Pompeo.
 
Es ist bemerkenswert, dass genau diese Aussage von Pompeo, der nach 60 Tagen den Austritt angedroht hat, bereits eine Vertragsverletzung darstellt, da der Text des INF-Vertrags in Artikel 15-I besagt, dass er nur mit einer Frist von sechs Monaten kündbar ist. Die Vereinigten Staaten haben es offensichtlich eilig, egal was passiert. Das bedeutet, dass die Entscheidung zum Ausstieg schon gefallen ist. Alles andere, einschließlich der unbegründeten Anschuldigungen Russlands, sind Ausreden.
 
Der russische Präsident Putin antwortete Mike Pompeo einige Stunden später direkt: „Es ist völlig offensichtlich, und jeder weiß es bereits, dass die Aussage von Herrn Pompeo etwas zu spät kam. Zunächst erklärte die amerikanische Seite, sie beabsichtige, sich aus dem Vertrag über Kurz- und Mittelstreckenraketen zurückzuziehen, und begann dann nach offiziellen Gründen dafür zu suchen. Die jetzt gegebenen Argumente, sind prinzipiell verständlich. Nur Russland und die Vereinigten Staaten stellen keine Waffen dieser Art her, das stimmt. Viele andere Länder, bereits ein Dutzend, produzieren solche Waffen. Nun, anscheinend glauben unsere amerikanischen Partner, dass sich die Situation so verändert hat, dass die Vereinigten Staaten auch solche Waffen haben sollten. Was ist die Antwort von unserer Seite? Ganz einfach: Wir werden es dann auch tun. Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Kongress der Vereinigten Staaten schon vor der Ankündigung des Austritts aus diesem Vertrag Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt hat, um diese Raketen herzustellen. Das heißt, die Entscheidung wurde schon vor langer Zeit getroffen. Nur unauffällig. Sie dachten wohl, wir würden es nicht bemerken, aber im Haushalt des Pentagon gibt es ein Budget für die Entwicklung dieser Raketen. Und erst danach gaben sie öffentlich bekannt, dass sie aus dem Vertrag austreten wollen. Der nächste Schritt war, für die Öffentlichkeit nach einem Schuldigen zu suchen. Nun, das einfachste und bekannteste für den normalen Menschen im Westen ist: Russland ist schuld. Aber so ist es nicht. Wir sind gegen die Kündigung dieses Vertrags. Aber wenn es geschieht, werden wir entsprechend reagieren.“
 
Amerika untermauert seine Ultimaten und Drohungen mit Taten, wenn auch noch recht zaghaft. Laut der Sprecherin der 6. US-Flotte, Rachel McMarr, „fuhr der Raketenkreuzer USS McCampbell in die Peter-der-Große-Bucht in der Nähe von Wladiwostok, um den übermäßigen maritimen Ansprüchen Russlands zu trotzen und für die Freiheit und die legale Nutzung des Meeres zu demonstrieren, das den Vereinigten Staaten und anderen Ländern zusteht“. Rachel behauptete auch, dass ihr Schiff in „unmittelbarer Nähe“ von unseren Küsten gewesen sei. Wie der Vertreter unseres Generalstabs, General Konaschenkov, erklärte, kam der Zerstörer McCampbell in der Tat nicht einmal bis auf 100 Kilometer vor die russischen Gewässer. Während des gesamten Manövers in internationalen Gewässern stand der amerikanische Zerstörer außerdem unter der Beobachtung des russischen Anti-U-Boot-Schiffes der Pazifikflotte „Admiral Tributs“, das sich in unmittelbarer Nähe befand, sowie von Marineflugzeugen der Pazifikflotte. Wenn die Besatzung des amerikanischen Zerstörers irgendetwas „demonstriert“ hat, dann war es der erfolglose Versuch, sich mit maximaler Geschwindigkeit den pazifischen Flottenkräften zu entziehen, die ihn begleiteten.
 
Überhaupt sind 100 Kilometer weit hinter dem Horizont. Die Ironie des mutigen Manövers der Amerikaner ist, dass der amerikanische Zerstörer etwa zur gleichen Zeit seine Kühnheit demonstrierte, als zwei amerikanische Militärflugzeuge, ein Tankflugzeug und ein Kampfjet, am Himmel des Japanischen Meeres zusammenstießen. Es gab dabei Tote.
 
Ende der Übersetzung
 
Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die internationale Politik interessieren, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktuellen Fragen zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht notwendig, weil in den westlichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aussagen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar